Gesund leben im Studium
In diesem Artikel von Dr. Abigail Tolland geht es um die Bedeutung von gesunden Gewohnheiten für das Wohlbefinden.
Der Artikel enthält nützliche Tipps und Informationen zu den Themen körperliche und psychische Gesundheit, Ernährung, verantwortungsvoller Alkoholkonsum, ausreichend Bewegung und Schlaf.
Inhaltsverzeichnis
Auf deine eigene Gesundheit achten
Wenn du dein Studium beginnst, wirst du viele neue Erfahrungen machen. Einige werden dir gefallen, andere vielleicht nicht. Sich an eine neue Umgebung anzupassen, kann für manche Studierende eine Herausforderung sein. In diesem Artikel geht es darum, wie du die Grundlagen für emotionales Gleichgewicht und psychisches und körperliches Wohlbefinden schaffen kannst.
Der Artikel hilft dir dabei, einen Plan für kleine Veränderungen zu erstellen, die deine emotionale Resilienz (die Fähigkeit, sich an stressige Situationen anzupassen) und dein psychisches Wohlbefinden steigern können.
Was könnte das für mich bedeuten?
Vielleicht freust du dich darauf, von zu Hause auszuziehen und unabhängig zu leben, oder es kommt dir wie eine große Herausforderung vor – oder eine Mischung aus beidem. All das ist normal und verständlich. Vielleicht freust du dich auch darauf, mehr über dein Studienfach zu lernen und hoffst, an der Universität Gleichgesinnte zu finden.
Was auch immer dich dazu bewogen hat, ein Studium zu beginnen, die ersten Wochen werden wahrscheinlich viele verschiedene Gefühle hervorrufen, sowohl positive als auch negative.
Häufige Herausforderungen können sein:
Soziale Aspekte
- Ungewissheit darüber, was passieren wird oder was von dir erwartet wird
- Du fühlst dich unter Druck gesetzt, Kontakte zu knüpfen
- Du weißt nicht, was du den Leuten sagen sollst oder wie du ein Gespräch beginnen sollst
- Angst davor, neue Freundschaften zu schließen
- Lernen, mit anderen Menschen zusammenzuleben
Sensorische Überlegungen
- Lärm, Sauberkeit und Hygiene anderer Menschen
- Mögliche Umweltauslöser für sensorische Überlastung – Wohnheime, Hörsäle, Cafeteria
Kognitive Überlastung
- Gefühl der Überforderung durch Leselisten oder Arbeitspensum
- All die neuen Erfahrungen und Informationen, die du aufnimmst, können anstrengend sein
Praktische Überlegungen
- Du musst lernen, auf dich selbst aufzupassen, auch auf deine körperliche und geistige Gesundheit
- Termine vereinbaren
- Verantwortung für deine Finanzen übernehmen
- Öffentliche Verkehrsmittel benutzen
- Unterbrechung des bisherigen Tagesablaufs und Entwicklung eines neuen Studienalltags
- In einer neuen Stadt oder auf einem neuen Campus zurechtfinden
- Ungewissheit über den Stundenplan und die Orte, an denen du sein sollst
- Fristen einhalten
- Arbeit in Gruppen
Was ist als Nächstes zu tun?
Melde dich so bald wie möglich bei deiner Hausarztpraxis an.
Praktische Tipps
Um die Herausforderungen des Lebens zu meistern, müssen wir unseren Körper und unseren Geist gesund halten. Ein einfaches Modell dafür, das auf der Forschung von Marsha Linehan basiert, ist das PLEASE-Modell: Körperliche Krankheiten behandeln, ausgewogen essen, verantwortungsvoll mit Alkohol umgehen, ausgewogen schlafen und sich bewegen.
Körperliche Krankheit
Wenn wir krank sind, fällt es uns schwerer, klar zu denken und wir können gestresst oder wütend sein. Es ist wichtig, dass du sofort deine Hausärzt*in aufsuchst, wenn du dich ernsthaft krank fühlst. Es kann jedoch schwierig sein, in der Arztpraxis anzurufen und mit der Sprechstundenhilfe zu sprechen.
Es gibt ein paar Dinge, die du tun kannst, damit die Termine bei der Hausärzt*in besser für dich funktionieren:
- Du könntest die Arztpraxis besuchen, bevor du krank bist, damit du dich mit den Räumlichkeiten vertraut machen kannst. Wenn du das Gefühl hast, dass du etwas zusätzliche Unterstützung brauchst, nimm ein Familienmitglied oder eine Freund*in mit.
- Finde heraus, ob du Termine online buchen kannst.
- Schreibe auf, was du der Ärzt*in oder der Arzthelfer*in sagen willst, bevor du gehst.
- Fülle einen Krankenhauspass aus, in dem du erklärst, wie du gerne mit anderen kommunizierst, wie du Schmerzen ausdrückst und was man tun kann, um deine Beschwerden zu lindern. Dies kann sowohl für die Hausärzt*in und das Krankenhauspersonal nützlich sein.
Es ist möglich, um folgende angemessene Anpassungen zu bitten:
- Frühe/späte oder längere Termine
- Einen ruhigen Ort zum Warten, oder draußen zu warten und von dort hereingerufen werden
- Wenn möglich, dieselbe Ärzt*in zu sehen (auch wenn das in Notfällen nicht immer möglich ist)
- Zugängliche Informationen in einem für dich verständlichen Format darüber, wie und wann Termine verfügbar sind und wie du Rezepte bekommst oder Zugang zu Dienstleistungen wie Krebsvorsorgeuntersuchungen hast.
Ausgewogene Ernährung
Unser Energielevel und unsere Emotionen werden direkt durch die Lebensmittel beeinflusst, die wir essen und die wir trinken. Wenn du ein Studium beginnst, ist es wahrscheinlich das erste Mal, dass du auf dich selbst aufpassen musst. Viele Studierende greifen dann zu Fast Food, Schokolade und Chips, da diese Lebensmittel oft billig und leicht zu bekommen sind. Diese Lebensmittel können anfangs auch ein wenig Trost spenden.
Wenn sie jedoch unsere Hauptnahrungsquelle sind, können sie dazu führen, dass wir uns ausgelaugt und erschöpft fühlen.
Es ist eine gute Idee, im Voraus zu planen, wie du dich während deines Studiums ausgewogen ernähren willst. Informiere dich darüber, welche Nährstoffe du brauchst, um dein Energielevel aufrechtzuerhalten, damit du das Beste aus deinem Lern- und Studienaufenthalt machen kannst. Übe dich darin, einige der Mahlzeiten zu kochen, die du gerne isst.
Verantwortungsvoller Umgang mit Alkohol
Viele Menschen greifen zu Alkohol, um Angstgefühle zu lindern, vor allem, wenn sie unter Leute gehen. Kurzfristig kann es so aussehen, als ob die Angst bzw. der Stress reduziert wird, weshalb manche Menschen Alkohol dafür verwenden. Längerfristig führt dies jedoch zu noch mehr Stress und Angst und bewirkt somit das Gegenteil von dem, was beabsichtigt ist.
Bevor du mit dem Studium beginnst, solltest du planen, wie du mit unangenehmen Situationen umgehst, in denen du dich zum Trinken verleitet oder gedrängt fühlst. Überlege dir, was du gerne trinkst, und lerne, welche Anzeichen dafür sprechen, dass du an diesem Abend aufhören solltest zu trinken. Es kann auch helfen, darüber nachzudenken, was dir Spaß macht und was dir hilft, dich ruhig und entspannt zu fühlen.
Ausgewogener Schlaf
Autismus kann einen erholsamen Schlaf erschweren. Die Forschung hat gezeigt, dass viele verschiedene Faktoren dazu beitragen, darunter ein unregelmäßiger Schlaf-Wach-Rhythmus (zirkadianer Rhythmus), körperliche Gesundheitsprobleme wie Magen-Darm-Probleme und Epilepsie oder Angstzustände und Depressionen (die den Schlaf beeinträchtigen, weil das Gehirn ständig versucht, die Ereignisse des Tages oder andere Sorgen zu verarbeiten).
All diese Faktoren können dazu führen, dass es länger dauert, bis man einschläft, dass es schwieriger ist, durchzuschlafen und dass die Tiefe und Qualität des Schlafs geringer ist als im Durchschnitt. Ständig müde zu sein, kann deine täglichen Aktivitäten natürlich sehr viel schwieriger machen.
Zum Glück gibt es viele Dinge, die dir helfen können, einen guten Schlaf zu bekommen. Dazu gehören einige der anderen Dinge auf dieser Liste, wie eine ausgewogene Ernährung und regelmäßige Bewegung. Außerdem ist es hilfreich, eine klare Tagesstruktur mit festen Zeiten für das Einschlafen und Aufstehen zu haben. Das kann bei einem typischen studentischen Leben schwierig sein und in einer Gemeinschaftsunterkunft von anderen beeinflusst werden.
Du kannst dich auch an die Beratung für psychische Gesundheit der Hochschule wenden, um Rat und Unterstützung zu erhalten (wenn du denkst, dass psychische Probleme der Auslöser deiner Schlafprobleme sind). Falls nötig, kann es auch hilfreich sein, mit deiner Hausärzt*in darüber zu sprechen, wie du einen guten Schlaf bekommst.
Ausreichend Bewegung
Wir alle wissen, dass wir uns regelmäßig bewegen sollten, aber manchmal kann es sehr schwer sein, das zu tun, vor allem wenn du dich schlecht fühlst oder Angst davor hast, was andere denken könnten. Es kann dir helfen, dich an die vielen Vorteile zu erinnern, die dir Bewegung bringen kann, wie zum Beispiel:
- Abbau von Adrenalin (das bei Angst entsteht)
- die Freisetzung von Endorphinen und anderen Chemikalien, die gut für Körper und Geist sind
- Der Körper kann sich besser selbst reparieren und erholt sich schneller von Infektionen
- Verringerung von Ängsten und Verbesserung der Stimmung
- den Kopf freizubekommen und klarer zu denken
Wenn du dir nicht sicher bist, welche Übung du machen sollst, kannst du mit einer Berater*in im Hochschulsport sprechen und ihr könnt zusammen überlegen, was am besten zu dir passt.
Fragen, über die du nachdenken solltest
Körperliche Krankheit
Bevor du krank wirst, solltest du dir die folgenden Fragen stellen:
- Glaubst du, dass du irgendwelche Anpassungen bei der Terminvergabe brauchst?
- Wie möchtest du, dass die Arztpraxis mit dir kommuniziert?
- Müsstest du jedes Mal dieselbe Ärzt*in aufsuchen?
- Ist es für dich in Ordnung, Termine telefonisch zu vereinbaren, oder würdest du sie lieber online vereinbaren?
Sobald du die Antworten auf diese Fragen kennst, wende dich an die Hausarztpraxis und bitte sie, alle notwendigen Anpassungen vorzunehmen. Du kannst auch eine Kontaktperson benennen, die sich für dich um die Kommunikation kümmert.
Ausgewogene Ernährung
Eine ausgewogene Ernährung erfordert Planung, denn du musst sowohl für das Einkaufen als auch für das Kochen Zeit einplanen, also musst du dafür Zeit in deinem Zeitplan vorsehen. Hier sind einige Fragen, die du dir bezüglich deiner Vorlieben überlegen solltest:
- Glaubst du, dass es für dich besser wäre, an einem Tag (z.B. Samstag) für die Woche einzukaufen und zu kochen, oder denkst du, dass es für dich besser wäre, das Kochen als tägliche Routine am Ende eines jeden Tages einzuführen?
- Welches Gemüse und Obst magst du am liebsten? Kannst du Rezepte finden, in denen sie enthalten sind? Wie kannst du sie auf andere Weise in deinen Speiseplan integrieren?
- Hast du schon einmal überlegt, mit deinen Mitbewohner*innen gemeinsam zu kochen? Das kann billiger sein und ist außerdem eine gute Möglichkeit, die Arbeit zu teilen.
Verantwortungsvoller Umgang mit Alkohol
Überlege, in welchen Situationen du in Versuchung gerätst, mehr zu trinken, als dir lieb ist:
- Findest du es angenehmer, in kleinen oder größeren Gruppen auszugehen?
- An welchen Orten fällt es dir leichter, auszugehen?
- Magst du laute Orte oder ruhige Orte, helle Lichter oder sanfte Beleuchtung?
Wenn du weißt, was für dich angenehmer ist, überlege, wie du das deinen Mitbewohner*innen oder neuen Freund*innen erklären kannst. Es mag sich schwierig anfühlen, es anderen zu erklären, aber die meisten Menschen wollen, dass die Menschen, mit denen sie zusammen sind, sich wohlfühlen und eine gute Zeit haben.
Ausgewogener Schlaf
Bevor du an der Uni anfängst, kann es hilfreich sein, über deine Schlafgewohnheiten zu Hause nachzudenken und darüber, was dir hilft, gut zu schlafen. Wenn du eine klare Vorstellung davon hast, was für dich funktioniert, solltest du dir überlegen, wie du das im Studium umsetzen kannst. Gibt es Dinge, die du von zu Hause mitbringen kannst, um dir den Übergang zur Hochschule zu erleichtern?
Wenn du mit anderen zusammenwohnst, überlege dir, welche Vereinbarungen du in Bezug auf den Lärmpegel und die Ruhezeiten in der Nacht treffen kannst. Vielleicht müsst ihr Kompromisse eingehen, um etwas zu finden, das für alle passt.
Übung
Es ist manchmal schwer, eine Routine für regelmäßige Bewegung zu entwickeln. Hier sind einige Dinge, über die du nachdenken solltest, um den Anfang zu machen:
- Magst du Teamsportarten oder Gruppenkurse oder trainierst du lieber alleine?
- Bist du gerne im Freien oder bevorzugst du eine Turnhalle oder ein Fitnessstudio?
- Wenn du keine aktive Sportler*in bist, hast du schon mal überlegt, einfach zu Fuß zu gehen? Versuche, mindestens dreimal pro Woche einen längeren Weg zur Uni zu gehen, wenn möglich auch über Naturpfade.
- Sieh dir deinen Wochenplan an und überlege, ob du die Zeit zwischen den Vorlesungen nutzen kannst, um Sport zu treiben, auch wenn es nur für kurze Zeit ist.
Dieser Artikel wurde von Dr. Abigail Tolland geschrieben und entstand im Rahmen des Autism&Uni-Projekts. Der Originalartikel ist hier verfügbar und steht unter einer Creative-Commons-Lizenz. Der Artikel wurde von Linus Müller übersetzt.
Zuletzt bearbeitet am 01.12.2023.
Abigail Tolland ist eine klinische Psychologin. Sie arbeitet beim Student Wellbeing Service der Universität Portsmouth und hat langjährige Erfahrung in der Arbeit mit und für autistische Menschen, unter anderem auch durch Mitarbeit bei bei Autism Unlimited und Autism Hampshire.