Wir sind autistisch und das ist gut so.

Ich bin autistischer Autismus-Pädagoge und Gründer von Autismus-Kultur. Mit den Informationen auf meiner Seite helfe ich autistischen Menschen und ihren Familien, Autismus zu verstehen und ein glückliches Leben im Autismus-Spektrum zu haben.

Ich befasse mich seit 20 Jahren mit Autismus: durch wissenschaftliche Arbeit, mehrjährige Mitarbeit in Autismus-Organisationen und die Gründung von Autismus-Kultur.

Ich bin selbst autistisch und Vater eines fabelhaften Kindes.

Ich bin autistisch

Ich habe erst spät erfahren, dass ich autistisch bin. Meine Kindheit fand in den 80er Jahren statt, und von dem Teil des Autismus-Spektrums, der später Asperger-Syndrom genannt hatte, hatte kaum jemand je gehört.

Linus als Kind im Sandkasten

Eigentlich bin ich mit 16 das erste Mal auf Autismus gestoßen, als ich unter anderem Donna Williams Autobiografie »Wenn du mich liebst, bleibst du mir fern« las. Ich hätte damals gern mehr über Autismus erfahren, aber die Ortsbücherei gab nichts brauchbares her.

Nachdem ich für mein Studium nach Berlin gezogen war, tippte ich eines Tages ohne bestimmten Grund »Autismus« in die Suchmaschine ein. Und damit fing alles an.

Mir war schnell klar, dass ich viele der Eigenschaften hatte, die hier unter dem Begriff »Asperger-Syndrom« beschrieben wurden. Es war eine merkwürdige Erfahrung: Einerseits war es eine Erleichterung, mich gedanklich nicht mehr an nicht-autistischen Standards messen zu müssen. Andererseits beschrieben die meisten Websites autistische Menschen als gestört, mangelhaft und defizitär.

Auf der 11. Bundestagung Autismus von Autismus Deutschland in Leipzig erlebte ich genau dasselbe: Implizites oder explizites Ziel war es, autistische Menschen »normal« zu machen, oder zumindest Schritte in diese Richtung zu machen.

Ich hatte damals wirklich wenig Selbstwertgefühl, aber ich fand nicht, dass etwas grundlegend falsch war mit meiner Wesensart.

Damals begannen autistische Menschen in vielen Ländern, sich zu organisieren und ihre Interessen zu vertreten. Sie wandten sich dagegen, das Autismus als ausschließlich negativ beschrieben wurde, und setzten sich für Inklusion, Barrierefreiheit, ein selbstbestimmtes Leben und geeignete Unterstützung für Menschen im Autismus-Spektrum ein.

In Berlin fand ich eine Selbsthilfegruppe, in der ich andere autistische Menschen kennenlernte. Hier bekam ich auch die Adresse des Psychotherapeuten, der mich schließlich als autistisch diagnostizierte. Damals war ich Anfang 20.

Mitarbeit in Autismus-Organisationen

Ich habe in mehreren Autismus-Organisationen gearbeitet, bevor ich Autismus-Kultur gegründet habe.

Ich war 2004 Gründungsmitglied des Asperger-Selbsthilfevereins Aspies e.V. und habe mich dort über mehrere Jahre ehrenamtlich sehr viel gearbeitet, eine Zeitlang war ich auch im Vorstand. Ich hatte gehofft, wir könnten tatsächlich etwas zum Besseren verändern für autistische Menschen, ähnlich wie ASAN es in den USA tut.

Das hätte aber bedeutet, Position zu beziehen und sich möglicherweise unbeliebt zu machen bei Leuten, die eine andere Meinung vertraten, und dagegen gab es innerhalb von Aspies e.V. zu viele Widerstände.

Ich fand es nicht sinnvoll, mich für eine Organisation zu engagieren, die keine klaren Ziele hatte und nicht einmal in Bezug auf grundlegende Themen eine Position formulieren konnte. Deshalb habe ich Aspies e.V. 2007 verlassen.

Um 2005/2006 habe ich ebenfalls beim Verein Aspergia e.V. mitgearbeitet.

2007 habe ich Autismus-Kultur gegründet. Seitdem investiere ich meine Energie und Arbeit hier.

Auf Autismus-Kultur.de bringe ich autistische Erfahrungen mit Forschungsergebnissen zusammen und übersetze sie in verständliche Praxis-Ratgeber – mit dem Ziel, dir zu helfen, Autismus besser zu verstehen und autistisch gut leben zu können.

Die Website richtet sich an Menschen im Autismus-Spektrum, Eltern autistischer Kinder sowie andere Leute, die mit autistischen Menschen zu tun haben (z.B. Lehrer, Erzieher, Therapeuten). Sie enthält zahlreiche Artikel sowie weitere Ressourcen, und ich baue sie ständig weiter aus.

Studium und Forschung

Autismus ist seit 20 Jahren eines meiner Forschungsinteressen.

2011 habe ich mein Studium an der Humboldt-Universität zu Berlin mit einem Magister Artium abgeschlossen.

Meine Abschlussarbeit drehte sich um Autismus und hatte den Titel: »Der Autismus-Diskurs im Spannungsfeld von Natur, Technik und Geschlecht« geschrieben.

In der Arbeit habe ich untersucht, wie Geschlecht als kulturelle Kategorie den Autismus-­Diskurs beeinflusst hat, und wie das mit kulturellen Vorstellungen über Natur und Technik zusammenhängt.

Auch nach Abschluss meines Studiums interessiert mich weiterhin, welche Rolle Geschlecht und auch Race im Autismus-Diskurs spielen, und wie diese Vorstellungen sich auf autistische Menschen auswirken.

Zum Beispiel mehren sich die Stimmen, die darauf hinweisen, dass autistische Mädchen und Frauen seltener als autistisch erkannt werden. Wie könnte geschlechtsneutrale diagnostische Tools aussehen? Auch andere Gender-Themen im Autismus-Kontext verdienen mehr Beachtung.

Weitere meiner Forschungsinteressen in Bezug auf Autismus sind Lebensqualität, Bildung, Gesundheit, Arbeit und Beruf, Familie und soziale Beziehungen sowie Kommunikation, also praktische Aspekte des autistischen Lebens sowie ethische Fragen wie zum Beispiel, woran der Erfolg von Autismus-Therapien gemessen werden sollte.

The Neurodiversity Reader: Cover

Vor einigen Jahren habe ich ein Kapitel des Neurodiversity Readers geschrieben, »From neuronormativity to neurodiversity: changing perspectives on autism«, was eine wunderbare Erfahrung war.

The Neurodiversity Reader: Exploring Concepts, Lived Experience and Implications for Practice, herausgegeben von Dr. Dinah Murray, Dr. Damian Milton, Dr. Susy Ridout, Prof. Nicola Martin und Richard Mills (2020).

Elternschaft

Wenn man Kinder bekommt, verändern sich Perspektiven und Prioritäten – so ging es auch mir. Vater zu sein, hat mich in den letzten Jahren sehr geprägt. Mein Kind bereichert mein Leben in einer Weise, die ich mir früher nicht hätte vorstellen können, und ich lerne so viel von ihr.

Linus mit Kind in Irland