Prokrastination überwinden: 9 Tipps gegen Aufschieberitis
Schiebst du Dinge auf und suchst nach Ausreden? Prokrastination kann es manchmal erschweren, deine Arbeit rechtzeitig zu erledigen, vor allem, wenn ein Abgabetermin naht.
Inhaltsverzeichnis
Was ist Prokrastination?
Unter Prokrastination versteht man das unnötige Aufschieben von Entscheidungen oder Handlungen.
Wenn zum Beispiel jemand die Bearbeitung einer Aufgabe ohne Grund bis kurz vor dem Abgabetermin hinauszögert, obwohl er weiß, dass es besser wäre, früher damit anzufangen, dann prokrastiniert diese Person.
Umgangssprachlich spricht man auch von Aufschieberitis.
Die wichtigsten Merkmale der Prokrastination sind die folgenden:
- Prokrastination ist mit unnötigem Aufschieben verbunden.
- Die Verzögerung führt oft vorhersehbar zu negativen Ergebnissen, zum Beispiel in Bezug auf die Leistung oder das emotionale Wohlbefinden des Prokrastinierenden.
- Die Verzögerung ist oft, aber nicht immer, unbeabsichtigt, das heißt, sie tritt auf, obwohl die prokrastinierende Person die Absicht hat, die Dinge rechtzeitig zu erledigen (Absicht und Handlung unterscheiden sich also).
Prokrastination im Studium
Wer schon in der Schule eine Tendenz hat zu prokrastinieren, sollte spätestens in der Uni einen Weg finden, damit umzugehen. Denn im Studium wird Prokrastination oft zum Problem:
- Das Arbeitspensum im Studium ist wesentlich höher.
- Es wird erwartet, dass du selbständig lernst und dir deine Zeit selbständig einteilst.
- Klausuren oder Abgabetermine für Hausarbeiten sind oft geballt in einer Woche. Du musst anfangen, darauf zu lernen oder daran zu arbeiten, während die Termine noch in weiter Ferne liegen.
Das kann für manche Studierende beim Übergang zum Studium schwierig sein. Es wird einige Zeit dauern, bis du dich an diese neue Art des Lernens gewöhnt hast, und du musst auch deinen Stresspegel in den Griff bekommen, damit du nicht zu oft prokrastinierst und von den Abgabeterminen überfordert wirst.
Wie viele Menschen prokrastinieren?
Falls du prokrastinierst, bist du damit nicht allein.
- Studien zufolge sind etwa 15-20 % der Erwachsenen chronische Prokrastinierer*innen, und etwa 25 % der Erwachsenen betrachten Prokrastination als eine ihrer typischen Eigenschaften.
- Eine Studie zeigt, dass ca. 80-95 % der Studierenden in gewissem Maße prokrastinieren, ca. 75 % halten sich selbst für Prokrastinierer*innen, und ca. 50 % geben an, dass sie regelmäßig und auf problematische Weise prokrastinieren.
Warum prokrastinieren Menschen so oft?
Es gibt unterschiedliche Gründe, warum Menschen prokrastinieren:
- Sie überschätzen, wie viel Zeit ihnen für die Erledigung von Aufgaben bleibt.
- Sie überschätzen, wie motiviert sie in Zukunft sein werden.
- Sie unterschätzen, wie lange sie für bestimmte Aktivitäten brauchen werden.
- Sie nehmen fälschlicherweise an, dass sie in der richtigen Stimmung sein müssen, um an einem Projekt zu arbeiten.
- Die Aufgabe ist mit Gefühlen von Angst und Stress verbunden.
- Sie fühlen sich unvorbereitet.
- Sie fürchten, dass sie nicht genug Zeit haben, um die Aufgabe zu erledigen.
- Sie haben keinen Spaß an der Aufgabe.
- Sie sind durch andere Dinge abgelenkt.
- Sie fürchten, die Aufgabe könnte zu schwierig sein.
- Sie haben zu viele Projekte gleichzeitig am Laufen.
- Sie fühlen sich schuldig, wenn sie nicht genug Zeit mit Familie und Freunden verbringen.
- Sie bringen ihre beste Leistung unter Stress.
Hier gehe ich auf diese Gründe im Einzelnen ein und zeige Strategien, die helfen können.
Angst und Stress
Prokrastination ist oft eng mit Ängsten verbunden.
Angst kann auf verschiedene Weise zu Prokrastination führen, zum Beispiel führt sie zu mehr Abneigung gegenüber der Aufgabe und zu mehr unproduktivem Grübeln.
Unsere Ängste werden oft getriggert, wenn wir mit einer großen Aufgabe konfrontiert werden. Das führt dazu, dass wir die Aufgabe aufschieben, weil wir befürchten, nicht gut genug zu sein. Vielleicht denken wir, das die Aufgabe einfach zu viel für uns ist.
Leider kann Prokrastination manchmal die Angst verstärken, was zu einem Teufelskreis führen kann.
Was helfen kann
Wenn du angstbedingter Prokrastination leidest, kann es hilfreich sein, das Problem der Angst anzugehen, um das Problem der Prokrastination zu lösen.
Wenn du unter einer Angststörung leidest, solltest du in der Regel eine Therapeut*in aufsuchen, die dich über die richtige Behandlung, beispielsweise eine Therapie, Medikamente oder eine Änderung der Lebensweise, beraten kann. Das kann helfen, die Angst und die damit verbundenen Probleme zu reduzieren.
Wenn deine Ängste nur leicht ausgeprägt sind, kannst du sie möglicherweise selbst in den Griff bekommen. Ich habe einen Artikel speziell zu Angst und Stress im Studium geschrieben, in dem du viele Strategien findest, die dir helfen können, deine Ängste zu verringern.
Sich unvorbereitet fühlen
Manchmal erfordert die Aufgabe oder der Auftrag, den du erledigen musst, eine Reihe von Fähigkeiten oder Fachkenntnissen, bevor sie erledigt werden kann. Anstatt sofort damit anzufangen und zu riskieren, dass die Aufgabe scheitert, kann es sein, dass wir die Aufgabe aufschieben, weil wir denken, dass es einfacher ist, zu warten, bis wir mehr Wissen haben, um die Aufgabe richtig zu erledigen.
Was helfen kann
Mach dir eine Liste mit Fragen zu der Aufgabe, von denen du glaubst, dass sie dich am Weiterkommen hindern könnten. Manchmal kann es hilfreich sein, diese Fragen zu recherchieren, denn manchmal ist die Antwort einfacher, als du denkst! Wenn es dir schwerfällt, die Antwort selbst zu finden, kannst du dich im Studium mit diesen Fragen immer an deine Dozent*in oder Tutor*in wenden, vor allem, wenn sie mit Prüfungen oder Aufgaben zu tun haben.
Wenn du eine Aufgabe oder Prüfung nicht bestehst, ist das nicht das Ende der Welt und bestimmt nicht deinen Wert als Mensch. Sieh das Scheitern als Chance, mehr über das Thema zu lernen, und du wirst dich vielleicht selbst überraschen, was du über das Thema weißt.
Nicht genug Zeit, um die Aufgabe zu erledigen
Die Aufgabe, die von dir erwartet wird, scheint viel Zeit und Mühe zu kosten, und du hast vielleicht Angst, dass du die Aufgabe nicht rechtzeitig fertig bekommst.
Was helfen kann
Zerlege die Aufgabe in kleinere, überschaubare Teile und versuche, dir einen realistischen Zeitraum für die Erledigung jedes Teils der Aufgabe zu setzen. Wenn es keine Unterbrechungen gibt, brauchst du manchmal nur wenig Zeit, um viel zu erledigen, und du kannst Teile der Aufgabe abschließen (indem du jeden Tag eine bestimmte Wortzahl erreichst).
Du kannst deinen Zeitplaner benutzen, um zu markieren, welche Teile des Tages du der Aufgabe widmen kannst. Dann kannst du diese Zeit nutzen, um deine Energie zu konzentriert darauf zu richten, einen Schritt nach dem anderen zu erledigen.
Du hast keinen Spaß an der Aufgabe
Was helfen kann
Prokrastination kann schwieriger zu überwinden sein, wenn du keine Lust hast, eine Aufgabe zu erledigen. Um das zu überwinden, müssen wir die Aufgabe vielleicht mit einer Idee verbinden, die uns motiviert, oder eine Aufgabe mit einer positiven Motivation verknüpfen, um sie in Angriff zu nehmen.
Das könnte bedeuten, dass du dich fragst, welche Teile der Aufgabe du für wichtig hältst, oder welche Ideen zu dem Thema dich begeistern und von dort aus startest. Oft fällt es leichter, eine Aufgabe oder einen Aufsatz zu beginnen, wenn es um ein Thema geht, für das du dich begeisterst.
Wenn das gewünschte Thema aber nicht dabei ist, kann es genauso gut funktionieren, Verbindungen zu den Themen zu finden, für die du dich begeisterst, und einen Weg zu finden, diese Motivation in die Erledigung der Aufgabe zu lenken.
Ablenkungen
Wenn wir uns in einer Umgebung befinden, in der wir uns wohlfühlen, wie zum Beispiel in unserem Schlafzimmer, ist es manchmal einfacher, in unsere Routine zu verfallen, als sich Zeit für die Aufgabe zu nehmen.
Was helfen kann
Verändere deinen Lernort so, dass du glaubst, dass er dir hilft, die Aufgabe zu erledigen. Dazu kann gehören, das Telefon wegzulegen, die Nutzung sozialer Medien einzuschränken und woanders zu lernen – entweder zu Hause oder in der Uni.
Manche Menschen finden es hilfreich, Musik zu hören (evtl. über Kopfhörer), während sie sich auf eine anstehende Aufgabe konzentrieren müssen.
Die Aufgabe könnte zu anspruchsvoll sein
Manchmal schrecken wir vor einer Aufgabe zurück, weil wir befürchten, dass sie schwierig sein könnte und wir nicht wissen, wo wir anfangen sollen.
Was helfen kann
Versuche, die Aufgabe in kleinere, überschaubare Schritte aufzuteilen. Dadurch wird die Gesamtaufgabe weniger überwältigend und du kannst dir eine Schritt-für-Schritt-Anleitung für jede Aufgabe geben lassen.
Wir haben vielleicht zu viele Projekte gleichzeitig am Laufen
Wir vermeiden oder verzögern oft Aufgaben, weil wir überfordert sind. Es kann leicht passieren, dass wir uns in Kleinigkeiten verzetteln und die eigentliche Aufgabe vernachlässigen.
Was helfen kann
Versuche, dich zuerst auf die wichtigsten Aufgaben in deinem Kurs zu konzentrieren und Prioritäten zu setzen.
Versuche zu erkennen, dass es besser ist, etwas zu tun, als nichts zu tun. Wenn du dich von einem großen Aufsatz oder Projekt völlig überfordert fühlst, kann es gut funktionieren, dich zuerst auf die Feinheiten zu konzentrieren, solange du dich danach der größeren Aufgabe widmest.
Sich schuldig fühlen
Manchmal schieben wir Aufgaben auf, weil wir uns schuldig fühlen, weil wir nicht genug Zeit mit der Familie oder Freunden verbringen oder vergessen haben, an einer Aktivität teilzunehmen, die du gerne machst. Es kann schwer sein, ein Gleichgewicht zwischen Leben und Lernen zu finden, besonders bei deinen ersten Aufgaben.
Was helfen kann
Versuche, dich für ein paar Stunden Arbeit oder Lernen zu belohnen – zum Beispiel, indem du dich mit einem Freund auf einen Kaffee triffst, einem besonderen Interesse oder einem Hobby nachgehst, das dir hilft, dich zu entspannen.
Plane die Zeit, die dir zur Verfügung steht, in einem Terminplaner oder Kalender. Wenn du dir bestimmte Zeiten für das Lernen und die Lehrveranstaltungen sowie Zeit für Freizeit und Treffen mit Freund*innen und Familie vornimmst, kannst du sicherstellen, dass du ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Studium und Freizeit hast.
Du brauchst Stress, um deine beste Leistung zu erbringen
Zu viel Stress kann dich manchmal daran hindern, Dinge zu erledigen, aber zu wenig Stress kann es schwieriger machen, dich zu motivieren, die Aufgabe zu erledigen. Hier musst du vielleicht das richtige Maß an Stress finden, damit du effektiv arbeiten kannst.
Manchmal gibt es vielleicht keinen negativen Grund, warum wir uns entscheiden, eine Aufgabe aufzuschieben oder zu verschieben. Es könnte daran liegen, dass wir das Gefühl haben, unter Druck unsere beste Leistung zu bringen. Der Adrenalinschub, den die Erledigung einer Aufgabe kurz vor dem Abgabetermin auslöst, kann manchen Menschen helfen, ihre beste Leistung zu erbringen.
Was helfen kann
Nimm dir für jede Aufgabe eine angemessene Zeit, um jeden Teil der Aufgabe zu erledigen. Wenn es keine Unterbrechungen gibt und du im Flow
bist, kannst du in kurzer Zeit viel schaffen. Es kann hilfreich sein, einen Zeitplaner mit Timer für den nächsten Schritt zu verwenden, damit du dich bei der Arbeit an einer Aufgabe voll darauf konzentrieren kannst.
Exekutive Dysfunktion
Autistische Menschen haben oft exekutive Dysfunktionen.
Das kann heißen, dass sie Schwierigkeiten haben,
- mit einer Aufgabe anzufangen,
- mit einer Aufgabe weiterzumachen, wenn etwas Unerwartetetes passiert, oder
- eine Aufgabe zum Abschluss zu bringen.
Exekutiven Dysfunktion ist ein Problem, das oft übersehen wird ndash; Autismus gilt oft als sozial-kommunikative Behinderung. Möglicherweise werden die exekutiven Probleme als Faulheit abgetan.
Auch bei ADHS ist exekutive Dysfunktion ein sehr häufiges Problem.
Exekutive Dysfunktion ist etwas anderes als Prokrastination. Während Leute beim Prokrastinieren Aufgaben freiwillig aufschieben, sind Leute mit exekutiven Dysfunktionen oft tatsächlich nicht in der Lage, die Aufgabe zu erledigen.
Ich erwähne exekutive Dysfunktionen hier, weil es schwierig sein kann, beides zu unterscheiden.
Quellen und Literatur
Zuletzt bearbeitet am 10.05.2023.
Linus Mueller befasst sich seit 20 Jahren mit Autismus. Er hat hat sein Studium an der Humboldt-Universität zu Berlin mit einer Magisterarbeit über Autismus und Gender abgeschlossen und in mehreren Autismus-Organisationen gearbeitet, bevor er Autismus-Kultur gründete. Linus ist selbst autistisch und Vater eines fabelhaften Kindes. Mehr über Linus