Wir sind autistisch und das ist gut so.

Tutorien bieten die Möglichkeit, Themen durch Diskussionen zu vertiefen und Fragen zu klären, die nach den Vorlesungen auftauchen können. In diesem Artikel erfährst du, wie du dich auf ein Tutorium vorbereitest und was du von einem Tutorium erwarten kannst.

Was ist ein Tutorium?

Ein Tutorium ist in der Regel ein Treffen in einer kleinen Gruppe, das oft nach einer Vorlesung stattfindet. Während eines Tutoriums diskutieren die Studierenden und eine Tutor*in über ein bestimmtes Thema. Dieses kann direkt mit dem Thema der Vorlesung zusammenhängen oder ein verwandtes Thema sein, das die Tutor*in einführt, um das Wissen der Studierenden zu erweitern.

Wer macht was?

Oft gibt die Tutor*in den Studierenden ein Thema oder eine Lektüre vor, die sie vor dem Tutorium vorbereiten sollen. Um den größtmöglichen Nutzen aus dem Tutorium zu ziehen, solltest du die Gelegenheit nutzen, um zu recherchieren oder den erforderlichen Text zu lesen, und du solltest darauf vorbereitet sein, dich in irgendeiner Weise an der Diskussion zu beteiligen.

Vielen Studierenden ist es unangenehm, vor einer Gruppe zu sprechen und ihre Meinung zu äußern, vor allem zu Beginn ihres Studiums. Wenn du die Tutor*in darüber informiert hast, dass du autistisch bist, sollte sie in der Lage sein, angemessene Anpassungen vorzunehmen – zum Beispiel könntest du eine PowerPoint-Präsentation erstellen, um deine Recherchen vorzustellen, anstatt direkt vor der Gruppe zu sprechen.

Die Rolle der Tutor*in besteht in der Regel nicht darin, während eines Tutoriums zu dozieren, sondern vielmehr darin, weitere Diskussionen anzuregen und zu erleichtern.

Warum sind Tutorien wichtig?

Tutorien bieten dir die Möglichkeit,

  • Themen zu vertiefen,
  • von anderen Menschen zu lernen,
  • Ideen auszutauschen,
  • verschiedene Perspektiven und Standpunkte kennenzulernen,
  • Missverständnisse zu klären,
  • die Sprache, das Vokabular und den »Jargon« des Kurses kennenzulernen,
  • dich in Diskussionen und Gesprächsführung zu üben,
  • die Ebene deines Denkens durch eine effektive Kombination aus unabhängiger Lektüre und Gruppendiskussionen gemeinsam mit anderen zu verbessern.

Wie könnte sich das auf mich auswirken?

Tutorien können ziemlich offen und unvorhersehbar in ihren Ergebnissen sein. Auch wenn die Tutor*in einen Themenplan hat, ist nicht unbedingt von Anfang an klar, wohin das Gespräch führt. Das kann beunruhigend sein, denn du fragst dich vielleicht: »Was soll das bringen?«

Ein wichtiger Aspekt bei der Teilnahme an einem Tutorium ist die Erkenntnis, dass andere Studierende vielleicht die gleichen Sorgen und Schwierigkeiten haben wie du. Das ist oft hilfreich, denn so kannst du deine eigenen Sorgen relativieren und die Reaktionen der anderen verstehen.

Vielleicht triffst du während des Tutoriums auch auf Studierende aus anderen Fachbereichen. Aus den Erfahrungen der anderen Studierenden kannst du erkennen, dass es viele verschiedene Wege gibt, ein Thema anzugehen; die Art und Weise, wie ein Studierender ein Thema recherchiert, wird sich von der einer anderen völlig unterscheiden. All diese unterschiedlichen Herangehensweisen machen deine eigene Lernerfahrung reicher und umfassender.

Indem du an den Tutorien teilnimmst, entwickelst du Fähigkeiten, die nicht nur an der Universität, sondern auch später am Arbeitsplatz nützlich sind; diese Fähigkeiten werden oft als »übertragbare Fähigkeiten« bezeichnet. Dazu gehören:

  • Zuhören
  • Verhandeln
  • Leiten
  • Teamarbeit
  • Mündliche Kommunikation
  • Sich zu Wort melden – wann man etwas sagt und wann nicht
  • Verantwortung übernehmen
  • Wissen weitergeben
  • Zeitmanagement
  • Ein Argument entwickeln
  • Zusammenarbeit mit Menschen mit unterschiedlichem Hintergrund
  • Umgang mit widersprüchlichen Meinungen
  • Visuelle Hilfsmittel erstellen und verwenden

Was ist als nächstes zu tun?

Nutze die Möglichkeiten von Tutorien, denn sie bieten dir die Chance, dein Wissen über ein Thema zu vertiefen.

Praktische Tipps

  • Vergewissere dich, dass du weißt, in welcher Tutoriumsgruppe du bist
  • Überprüfe deinen Stundenplan und achte darauf, wann und wo deine Tutorien stattfinden (die Sitzungen finden möglicherweise nicht jede Woche statt und können auf verschiedene Tage fallen)
  • Mach dich mit dem Raum vertraut, z.B. indem du vor dem Tutorium einige Zeit dort verbringst (wenn er nicht benutzt wird)
  • Vergewissere dich, dass du rechtzeitig vor dem Tutorium Kopien der erforderlichen Lektüre oder Recherchen hast.
  • Höre dir die Ideen und Meinungen der anderen Studierenden an.
  • Wenn du das Gefühl hast, dass du nicht in der Lage bist, dich mündlich am Tutorium zu beteiligen (und die Mitarbeit bewertet wird), sprich rechtzeitig mit deiner Tutor*in und frag ihn, ob er dir eine sinnvolle Lösung vorschlagen kann, z. B. eine PowerPoint-Präsentation deiner Forschungsarbeit.
  • Verfolge interessante neue Ideen aus dem Tutorium weiter, indem du eigenständig recherchierst.

Fragen, über die du nachdenken solltest

  • Was muss ich tun, um mich auf das Tutorium vorzubereiten?
  • Ist das Lesematerial online verfügbar?
  • Weiß ich, wo ich sein muss und wann ich dort sein muss?
  • Kann ich meine Forschung in einem visuellen Format präsentieren? Z. B. PowerPoint, Mindmap usw.?
  • Weiß ich, wer sonst noch in meiner Tutoriumsgruppe ist, falls ich vorher noch etwas überprüfen muss?
  • Weiß meine Tutor*in, dass ich autistisch bin; soll ich es ihr mitteilen?

Dieser Artikel wurde von Jackie Hagan geschrieben und entstand im Rahmen des Autism&Uni-Projekts. Der Originalartikel ist hier verfügbar und steht unter einer Creative-Commons-Lizenz. Der Artikel wurde von Linus Müller übersetzt.

Zuletzt bearbeitet am 01.12.2023.

Jackie Hagan, BA

Jackie Hagan ist Mitarbeiterin beim Disability Learning Support der University for the Creative Arts in Rochester. Sie arbeitet ebenfalls am Autism&Uni-Projekt mit.