Die Entdeckung von Aspie
Einige der größten Entdeckungen dieses Jahrhunderts waren kreative und zielstrebige Anstrengungen, um »Was wäre, wenn…?«-Fragen zu beantworten. Was wäre, wenn Menschen fliegen könnten? Was wäre, wenn elektrische Energie nutzbar gemacht werden könnte, um Licht zu erzeugen? Was wäre, wenn es ein einfach zu erreichendes, internationales Kommunikations- und Informationsnetzwerk gäbe?
Die Antworten resultierten in bleibenden Veränderungen: Flugreisen, Glühbirnen, das Internet. Diese Entdeckungen haben ihre weniger effektiven Pendants vom Gebrauch fast völlig verdrängt: Verschwunden sind Postkutschen, Gaslaternen und vielbändige, gebundene Enzyklopädien.
Diese Verbesserungen erinnern uns daran, dass wir die Möglichkeit und Fähigkeit haben zu experimentieren, umzugestalten, umzudenken und uns etwas vorzustellen. In diesem Geist verweist dieser Artikel auf eine neue Frage: Was wäre, wenn das Asperger-Syndrom anhand seiner Stärken definiert wäre? Was würde sich ändern?
Von der Diagnose zur Entdeckung
Jede Diagnosestellung verlangt, dass man die Aufmerksamkeit auf Schwächen richtet, auf die Beobachtung und Interpretation von Anzeichen und Symptomen, die von der typischen Entwicklung oder Gesundheit abweichen. Sicherlich wäre es ein wenig entwaffnend, wegen einer Diagnose zur Ärztin zu gehen und sie fragt nur: »Also, was fühlt sich absolut toll an?«.
Das DSM IV (American Psychiatric Association, 1994) hilft beim Erkennen unterschiedlicher Störungen. Es wird von Psychiater_innen und anderen Fachleuten für psychische Gesundheit angewendet, um beobachtete Schwächen, Symptome und Verhaltensweisen mit der Fachliteratur abzugleichen. Im DSM IV wird das Asperger-Syndrom anhand spezifischer Diagnosekriterien erkannt, einer Konstellation von beobachteten sozialen und kommunikativen Verzögerungen und/oder Abweichungen.
Einmal diagnostiziert wird von dem Kind oder Erwachsenen in der politisch korrekten ‘Mensch zuerst’-Terminologie gesprochen, also als ein Mensch mit Asperger-Syndrom.
Anders als Diagnose bezieht sich der Begriff Entdeckung eher auf die Erkennung der Stärken oder Talente einer Person. Schauspieler werden entdeckt. Künstlerinnen und Musiker werden entdeckt. Eine gute Freundin wird entdeckt. Diese Menschen werden durch eine informelle Kombination von Einschätzung und Bewunderung entdeckt, die schließlich zu der Schlussfolgerung führt, dass dieser Mensch – mehr als die meisten anderen – bewundernswerte Eigenschaften, Fähigkeiten, und/oder Talente besitzt.
Es ist die Anerkennung, dass „er besser ist als ich in…, weißt du”. Wenn man sich auf Menschen mit Respekt vor ihren Talenten oder Fähigkeiten bezieht, dann ist die politisch korrekte »Mensch zuerst«-Terminologie überflüssig. Labels wie Musikerin, Künstler, oder Dichterin werden begrüßt und als Kompliment betrachtet.
Wenn das Asperger-Syndrom durch die Beobachtung von Stärken und Talenten erkannt würde, dann wäre es nicht länger im DSM IV, noch würde man es ein Syndrom nennen. Schließlich würde man von jemandem mit besonderen Stärken und Talenten weder in Etiketten mit negativem Beigeschmack reden (man sagt Künstler und Dichterin, nicht Künstlerisch Arroganter oder Dichterisch Geistesabwesende), noch hängt man an den Namen einer Person den Begriff Syndrom an (man sagt Sänger oder Solistin, nicht Sinatra-Syndrom).
Wenn man die Stärken fokussiert, muss man den vorherigen Begriff, Asperger-Syndrom, ersetzen durch einen neuen Ausdruck. Die Autor*innen finden, dass der Begriff Aspie, den Liane Holliday Willey in Bezug auf sich selbst in ihrem Buch “Ich bin Autistin – aber ich zeige es nicht. Leben mit dem Asperger-Syndrom” verwendet, ein Ausdruck ist, der unter den anderen talentbegründeten Ausdrücken zuhause ist: Solistin, Genie, Aspie, Tänzer.
Mit schwindendem Leistungsvermögen des DSM IV führen die Autor_innen auch eine Beschreibung von »Aspie« ein, zur Platzierung in einem dringend benötigten, aber noch nicht existenten Handbuch der Entdeckungen über Menschen (MDP I, Manual of Discoveries About People; Material 1). Neue Wege des Denkens führen häufig zu Entdeckungen, die ihre veralteten Vorläufer ausrangieren.
Vergleichbar hat auch der Wechsel von Asperger-Syndrom zu Aspie interessante Auswirkungen und bietet neue Möglichkeiten. Er könnte dahin führen, dass Durchschnittsmenschen ihre Reaktionen überdenken, und eine bisher verpasste Möglichkeit nachholen, aus dem Beitrag der Aspies zu Kultur und Wissen Vorteile zu ziehen.
Material 1: Kriterien für die Entdeckung von Aspie, von Attwood und Gray
- Qualitative Vorteile in der sozialen Interaktion, die sich in der Mehrzahl der folgenden Punkte manifestieren:
- Beziehungen zu Altersgenossen geprägt von absoluter Loyalität und untadeliger Zuverlässigkeit
- Frei von Vorurteilen aufgrund des Geschlechts, des Alters oder der Kultur; Fähigkeit, andere so zu akzeptieren, wie sie sind
- Drückt eigene Gedanken ungeachtet des sozialen Zusammenhangs aus oder hält an persönlichen Überzeugungen fest
- Fähigkeit, persönliche Theorien oder Perspektiven trotz widersprechender Beweise zu verfolgen
- Sucht Zuhörer_innen oder Freund_innen, die fähig sind, sich für einzigartige Interessen und Themen zu begeistern, Details schätzen und Zeit damit verbringen, ein Thema zu diskutieren, das nicht von vorrangigem Interesse zu sein scheint
- Hört ohne ständiges Urteilen oder Unterstellungen zu
- Hauptsächlich an aussagekräftigen Gesprächsbeiträgen interessiert; vermeidet “ritualisierten Small Talk” oder sozial triviale Aussagen und oberflächliche Unterhaltungen.
- Sucht aufrichtige, positive, echte Freunde mit einem bescheidenen Sinn für Humor
- Spricht fließend “Aspergisch”, eine soziale Sprache, die von mindestens drei der folgenden Merkmale gekennzeichnet ist:
- Entschlossenheit, die Wahrheit zu suchen
- Unterhaltung frei von versteckten Bedeutungen oder Hintergedanken
- Hoch entwickelter Wortschatz und Interesse an Wörtern
- Faszination an wortbasiertem Humor wie Wortspielen
- Fortgeschrittener Gebrauch von Bildmetaphern
- Die kognitiven Fähigkeiten sind durch mindestens vier der folgenden Merkmale gekennzeichnet:
- Starke Bevorzugung von Details vor dem Gesamtbild
- Originelle, oft einzigartige Weise der Problemlösung
- Außergewöhnliches Gedächtnis und/oder Erinnerung an Details, die von anderen oft vergessen oder ignoriert werden, wie z.B. Namen, Daten, Terminpläne, Routinen
- Begeisterte Ausdauer beim Durchhalten beim Sammeln und Ordnen
von Informationen zu einem Thema von Interesse - Beharrlichkeit des Denkens
- Enzyklopädisches oder »CD-ROM«-Wissen über ein oder mehrere Gebiete
- Wissen um Routinen und ein zielgerichteter Wunsch, Ordnung und Genauigkeit aufrechtzuerhalten
- Klarheit in den Werten/bei Entscheidungen, unberührt von politischen oder finanziellen Faktoren
- Mögliche zusätzliche Merkmale:
- Große Sensibilität für bestimmte sensorische Erfahrungen und Stimuli, z.B. Hören, Berührung, Sehen, und/oder Geruch
- Stärke bei Einzelsportarten -spielen, besonders solchen, die Ausdauer und visuelle Genauigkeit erfordern wie Rudern, Schwimmen, Bowling, Schach
- »Sozial unbesungener Held« mit vertrauensvollem Optimismus: häufiges Opfer der sozialen Schwächen anderer und trotzdem an dem Glauben festhaltend, dass echte Freundschaften möglich sind
- Eine höhere Wahrscheinlichkeit als in der Durchschnittsbevölkerung, nach dem Gymnasium die Universität zu besuchen
- Oft fürsorglich anderen gegenüber außerhalb des Rahmens der typischen Entwicklung
Typische Reaktionen überdenken
Viele Ältere erinnern sich vielleicht an die Lesefibel aus vergangenen Jahren mit dem Titel »Denke und handle«(»Think and do«). Der Titel alleine beinhaltete schon eine starke erzieherische Leistung. Er bestimmte eine wichtige Folge von Geschehnissen, die gelegentlich vergessen oder übersehen wird: Denke zuerst und dann handle. Kürzlich verteilte das Indiana Resource Center eine Broschüre mit einer ähnlich subtilen Mahnung. Sein Titel lautet »Unsere Reaktionen überdenken« (»Rethinking our Responses«) (Indiana Institute on Disability and Community, 1999).
Der Titel stellt eine implizite Herausforderung an Eltern und Professionelle dar, »erneut nachzudenken und dann anders zu handeln«. Bewaffnet mit den Positivkriterien für Aspie zeigt ein erneutes Nachdenken einige neue Ideen und Möglichkeiten für Reaktionen auf.
Die Diagnosekriterien für das Asperger-Syndrom und die Charakteristika für Aspie sind deutlich unterschiedlich, obwohl sie dieselbe Gruppe von Menschen beschreiben. Was Menschen mit Asperger-Syndrom von Aspie-Individuen unterscheidet, sind letztlich die Reaktionen der anderen.
Drei hilfreiche, überdachte Reaktionen sind:
- Fokus auf das Potential,
- Sinnvolle Bestätigung, und
- Ablegen von sozialer Arroganz für Entgegenkommen und Akzeptanz.
Fokus auf das Potential
Es besteht kein Zweifel daran, dass Aspie-Kinder und Erwachsene Hilfe und Unterstützung benötigen, genauso wie diejenigen mit der Diagnose Asperger-Syndrom.
Sie müssen informiert werden und die Geheimnisse des typischen sozialen Verständnisses lernen, und sie brauchen Hilfe darin, mit der gesellschaftlichen Welt, die sie umgibt, zurechtzukommen. Diese Herausforderung kann für Aspies angenehmer sein als für Menschen mit Asperger-Syndrom, weil die Leute in ihrer Umgebung anders reagieren. Hier ein Beispiel:
Miguel fängt ebenfalls dieses Jahr in Mrs. Calders Klasse an. Miguel ist sehr stark Aspie. Wie Patrick, so hat auch Miguel unglaubliche Fähigkeiten. Vor allem wird Miguel wertgeschätzt wegen seines einzigartigen, scheinbar dreidimensionalen Denkens; seines Wissens über ausgestorbene Insekten der südamerikanischen Regenwälder und Sear’s Raum-Luftentfeuchter; seiner Ehrlichkeit, die seinen Kameraden die Schamröte ins Gesicht steigen lässt, und seinem Befolgen der Regeln und Routinen. Anders als bei Patrick allerdings müssen Miguels Eltern und Mrs. Calder zugeben, dass sie »nicht einmal raten können«, wohin seine einzigartigen Talente in der Zukunft hinführen könnten. Trotzdem müssen sie zugeben, dass Miguel mit seinen acht Jahren Dinge tun kann, zu denen sie nicht fähig sind. Sie kommen auch zu dem Ergebnis, dass er einzigartige Fähigkeiten besitzt, mit einer Zukunft, die sie sich nicht vorstellen oder ausmalen können, Begabungen, die aber gefördert und ermutigt werden sollten.
Mrs. Calder ist sich der sozialen Schwierigkeiten, die Miguel auf dem Schulhof, und bei der Arbeit in kleineren oder größeren Gruppen umgeben, bewusst und sie sucht nach Strategien, um ein gegenseitiges Verständnis zwischen Miguel und seinen Klassenkameraden aufzubauen. Miguel sucht nach ehrlicher Freundlichkeit bei anderen – Mrs. Calder hat sich zum Ziel gesetzt, dass er sie in ihrem Klassenraum, auf dem Schulhof und zur Mittagspause finden wird. Sie möchte, dass er seine Begabungen vervollkommnen kann, genauso wie Patrick.
Diejenigen, die Aspies wirklich verstehen, sehen klar deren Stärken und betrachten ihre Schwierigkeiten mit Geduld und Unterstützung. Liane Holliday Willey beschreibt ihre besten Freunde:
…Sie beleuchten ganz einfach das, was durch mein AS besser ist, meine Geradlinigkeit und Bestimmtheit und Kreativität und Hartnäckigkeit und Loyalität. Denn sie sehen mich zuerst als jemanden, der viele gute Eigenschaften besitzt, und erst dann als jemanden, der einfach ein klein wenig anders ist, sie geben mir eine Vorstellung davon, wie ich mich selbst ebenfalls in diesem Licht sehen kann.
Sinnvolle Bestätigung
Bestätigung ist ein wichtiger sozialer Prozess. Ein Kind wird gelobt, wenn wertgeschätzte Züge von anderen bemerkt und anerkannt werden – »Sam, was bist du für eine große Hilfe!« oder »Angie, was du getan hast, war gut durchdacht!« Kinder haben die Fähigkeit, auch das kleinste indirekte »Plus« oder Lob zu erkennen.
Zum Beispiel hilft John einer Klassenkameradin, die richtige Seite zu finden und bemerkt einen anerkennenden Blick seiner Lehrerin. Ihre Anerkennung wird augenblicklich erkannt und ermutigt John vielleicht, auch in Zukunft anderen zu helfen. John erhält im Laufe des Tages noch mehrere ähnliche subtile, aber wichtige ‘Pluspunkte’, genügend, um die Kritik der Pausenaufsicht, seinen Abfall liegengelassen zu haben, wegstecken zu können.
Ein Kind versteht bereitwillig die Bedeutung verbalen und nonverbalen Lobs, wichtige Botschaften, die das Selbstvertrauen beeinflussen. Wenn Selbstvertrauen der persönliche Glauben ist, dass es »in Ordnung ist, zu sein, wie du bist«, dann ist Bestätigung das Bekunden, und das Verständnis, dass andere damit übereinstimmen.
Im Gegensatz dazu können verpasste Gelegenheiten und Missverständnisse die Anstrengungen von Eltern und Fachkräften, Aspie-Kinder positiv zu bestärken, entgleisen lassen.
Die Charakterzüge, die ein Aspie-Kind an sich selbst gut findet (Logik, Gedächtnis, Intelligenz, Genauigkeit und Ehrlichkeit) können sich von den Zügen, die Eltern und Experten typischerweise wertschätzen, unterscheiden (Sensibilität, Großzügigkeit, Hilfsbereitschaft).
Das kann dazu führen, dass andere nur selten positiv auf die Eigenschaften zu reagieren, die das Aspie-Kind als wichtig ansieht. Aus der Sicht des Kindes: »Nie bemerkt oder achtet mich jemand.«
Unterstützende, fürsorgliche Eltern und Fachkräfte loben ein Aspie-Kind vielleicht so, wie sie ein typisches Kind loben würden, mit Sätzen wie »Gut gemacht!« oder »Wie nett von dir, … zu teilen«. Diese Aussagen haben vielleicht wenig Bedeutung für ein Aspie-Kind, das in bildhaften, konkreten Begriffen denkt.
Das geringe Interesse des Kindes an dieser Art von Lob kann von typischen Menschen fehlinterpretiert werden, die daraus schließen: »Er reagiert einfach nicht auf Lob«. Am Ende des Tages fühlt sich ein Aspie-Kind möglicherweise überwältigt und ohne Unterstützung; seine Eltern und Lehrer fühlen sich möglicherweise ebenfalls verloren auf der Suche, etwas zu entdecken, was das Kind motiviert. Obwohl Bestätigungs«brückensteine« auf beiden Seiten der sozialen Gleichung vorhanden sind, sind die Blaupausen manchmal unterschiedlich.
Um ein Aspie-Kind sinnvoll zu bestätigen, ist ein Verständnis seiner Stärken und seiner gesellschaftlichen Perspektive hilfreich. Das Erkennen und Loben der Züge, die das Kind an sich selbst wertschätzt, zusätzlich zu solchen Fertigkeiten und Leistungen, die soziales Wachstum zeigen, kann das Selbstvertrauen das Kindes aufbauen, während es eine oft herausfordernde soziale Welt zu meistern sucht.
Material 2 beschreibt fünf spezifische Strategien, um Lob, Bestätigung und sozialen Errungenschaften eine Bedeutung zu geben.
Material 2: Fünf Strategien, um Lob, Bestätigung und sozialen Leistungen eine Bedeutung zu geben.
- Das beste Lob ist, wenn andere persönlich für wertvoll erachtete Züge oder Stärken bemerken. Es ist wichtig für Eltern und Fachleute, sich Zeit zu nehmen, um diese Züge kennenzulernen, die vom Aspie-Kind oder -Erwachsenen als besonders wichtig und/oder wertvoll geschätzt werden. Zusätzlich können Eltern und Fachleute, indem sie Stärken über die neuen Aspie-Kriterien entdecken, diese bereitwilliger erkennen und anerkennen, wenn sie gezeigt werden. Züge wie Loyalität, Ehrlichkeit, Durchhaltevermögen, logisches Denken, Intelligenz und Aufrichtigkeit sind häufiges Lob wert.
- Sinnvolle Bestätigung stützt sich auf richtige Zuweisung. Zum Beispiel mag ein Kind hartnäckig durchhalten, weil es verwandt ist mit neun weiteren Familienmitgliedern, die ebenfalls diesen Zug aufweisen. Während Aspie mit bestimmten Stärken verbunden ist, ersetzt es dennoch nicht den Einfluss anderer wichtiger Faktoren, wie Alter, Persönlichkeit, Charakter oder ererbte Persönlichkeitszüge und Talente. Auf diese Faktoren zuerst zu schauen, erhöht den Wert und die Genauigkeit des Lobs. Wenn andere Faktoren einen Zug oder ein Talent nicht erklären, oder seine starke Ausprägung, dann mag dem Aspie-Faktor die Anerkennung dafür gebühren, oder mindestens »ehrenvolle Würdigung« als einer von einer Kombination von Faktoren.
- Die Bedeutung eines Lobs kann dadurch verstärkt werden, dass das Kind Zugang zu Dingen seines Interesses erhält (Bücher, Musik, Computer), dass jemand sich Zeit nimmt, Interesse an einem Thema zu zeigen, das dem Kind wichtig ist, oder dass man sichtbare Materialien benutzt, um abstrakte Erfolge zu verdeutlichen (»Blaues-Band-Leistung«, oder »Goldmedaillen-Hilfsbereitschaft«).
- Soziale Lerngeschichten fügen sozialen Informationen, einschließlich Lob, Bedeutung hinzu. Sie sind »wahrhaftig zu Hause«, weil sie die Züge loben, die die Aspie-Person an sich selbst schätzt. Eine soziale Lerngeschichte kann den Gebrauch von Logischem und Intelligenz eines Kindes beschreiben, einer Leistung Beifall spenden oder ein Talent rühmen. Die Information – und passende Fotos oder Beispielarbeiten – in eine Geschichte einzubetten, kreiert eine konkrete, positive Aufzeichnung, die dem Kind helfen kann, seine Stärken und seinen Wert zu begreifen.
- Bedachtes Wählen der Worte und Sätze, die Eltern und Fachleute anwenden, um Lob auszudrücken – besonders bei sozialen Erfolgen – kann sehr gute Ergebnisse erzielen. Ein Talent beiläufig erwähnen, wenn einer sozialen Leistung Anerkennung gezollt wird (»Was für eine logisch nette Sache, das zu tun! Welche intelligente Idee, Amber zum Spielen einzuladen!«), oder »Es ist klug von dir, Betty eine Weile mit dem Spielzeug spielen zu lassen«), kann die Aufmerksamkeit des Kindes verbessern, und der erkannten sozialen Fähigkeit Bedeutung geben.
Letztlich könnten die Aspie-Kriterien einer Bevölkerungsgruppe, die es verdient hat, ihre Zuversicht zurückgeben. Das Wissen, dass andere die persönlichen Stärken erkennen und anerkennen, könnte die nötige Zuversicht bereitstellen, um persönliche Talente aufzubauen und zu erforschen, und Herausforderungen zu meistern.
In einer Beschreibung ihrer Freunde weist Liane Holliday Willey darauf hin:
…sie sind so loyal in ihren Bestätigungen, dass ich so, wie ich bin, in Ordnung bin. In ihren Augen bin ich vollkommen in Ordnung. Jeder von ihnen tut meine Eigenheiten mit einem Lächeln und einer Armbewegung ab… Sie holen mich zurück, wenn ich zu weit gehe, sie bewahren mich vor offensichtlichen Fettnäpfchen, sie applaudieren, wenn ich über einen Teil von mir stolpere, der besonders wertvoll ist.
Von Arroganz zu Entgegenkommen und Akzeptanz
Ohne jemanden bemängeln oder mit dem Finger zeigen zu wollen – typische Menschen sind gesellschaftlich arrogant. Es scheint in ihrer Natur zu liegen, etwas wofür sie nichts können. Beweis: Typische Menschen sind fasziniert von – und besorgt über – jeden, der nicht total verliebt oder begeistert ist von ihren Einladungen zum Gesprächen oder Spielen. Wie kann das sein? Typische Menschen sehen sich selbst als unschätzbare soziale Gelegenheiten; selbstverständlich sollte jeder entzückt sein, ein Partner ihrer Interaktion zu sein. Vorausgesetzt, er ist normal
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Die Liste sozialer Vorteile von Aspie-Individuen im Material 1 hat ihre Wurzeln in den sozialen Herausforderungen für Menschen mit Asperger-Syndrom. Jemanden als sozial »neu« oder »einzigartig« zu betrachten, enthält mehr Potential als die negativen Gegenstücke »peinlich« oder »unangemessen«. Das verlangt soziale Kreativität.
In diesem Fall mag es hilfreich für typische Menschen sein, soziale Interaktion als einen Gang durch Einwanderungs- und Zollbehörden zu betrachten. Jeder, der zwischen verschiedenen Ländern reist, kennt die Angst, auf einen Zollbeamten zuzugehen, der von diesem Land dazu ernannt worden ist, darauf zu achten, dass die Regeln für Einreise und Annehmbarkeit eingehalten werden. Hier gelten strenge Regeln; die Fragen sind direkt und ein wenig unhöflich: »Warum sind Sie hier, und wann reisen Sie wieder aus?« »Sind Sie aus persönlichen oder aus geschäftlichen Gründen hier?« (Mit anderen Worten, »Sind Sie hier, um Los Angeles zu besuchen oder es zu ›kaufen‹?«).
Der Prozess schürt soziale Angst – Sehe ich für diese Leute sicher und freundlich genug aus (die mir leidenschaftslos autoritär und ungehobelt zu sein scheinen), um mich unter ihnen in ihrem Land aufhalten zu dürfen? Oder müssen sie meine persönlichen Dinge durchwühlen, um beurteilen zu können, ob ich eingelassen werden kann?
Für Aspie-Menschen ist das ein täglicher Gang durch die soziale Einwanderungs- und Zollbehörde – eine ständige Angst, Dinge auch »richtig« zu tun, »richtig« zu sagen, den nötigen, gesellschaftlichen ‘Ausweis’ zu besitzen, den typische Menschen ständig bei anderen suchen, bevor sie sich mit ihnen anfreunden.
Welche sozialen Kriterien sind absolut notwendig für typische Menschen, um Aspies durch soziale Einwanderungs- und Zollbehörden hindurchzulassen – ist es überhaupt möglich, die Regeln sozialer Annehmbarkeit auszuweiten? Können typische Menschen Interesse zeigen an einem ungewöhnlichen Thema? Sind ein typischer Tonfall und reibungslose Koordination des Gesichtsausdrucks – Herr über die manchmal in Konflikt geratende Zusammenarbeit von gemeinter und gesagter Bedeutung – wesentlich, um jemanden als Freund zu betrachten? Ist es in Ordnung, Freude zu zeigen, indem man die Finger und Arme bewegt? Ist es möglich, sich geduldig Zeit zu nehmen, um eine Situation zu erklären, die doch offensichtlich erscheint? Ist es in Ordnung für jemanden, kognitive Fähigkeiten zu besitzen, die in der typischen Bevölkerung gewöhnlich nicht zu finden sind?
Arroganz durch Akzeptanz zu ersetzen ist ähnlich dem Gebrauch von Sauerstoffmasken in Flugzeugen. Die Flugbegleiter beginnen jeden Flug damit, eine lebensrettende Regel in Bezug auf die Masken zu erklären: »Hilf dir selbst, bevor du anderen hilfst«. Diese Regel scheint im Kontrast zu stehen zu der natürlichen Neigung, zuerst denen zu helfen, die am hilflosesten zu sein scheinen. Das Problem ist, wenn man dieser Neigung nachgibt, könnte dazu führen, dass zwei Menschen um Luft und Überleben ringen; diejenigen, die zuerst anderen mit deren Maske helfen, könnten für immer die Möglichkeit verlieren, langfristig hilfsbereit handeln zu können.
Soziale Akzeptanz funktioniert nach demselben Prinzip. Es ist die Anstrengung wert, die Annahmen und Voreingenommenheit der sozialen Zoll- und Einwanderungsbehörde zu erforschen – um ihren Einfluss zu entdecken und Korrekturen vorzunehmen, wo notwendig. Danach kann man anderen helfen.
Eine verpasste Gelegenheit retten
Typische Menschen sind oft sehr scharfsinnig, verpasste Möglichkeiten zu erkennen und zeigen dies meist sehr deutlich, wenn sie es tun. Die Bahn verlässt die Station und die Zurückbleibenden können rasch benennen, wer in dieser Bahn sitzen wollte und es nicht tut. Ein junger Mann ist zu einem Vorstellungsgespräch für eine ersehnte Position in einer Firma, verbringt einen Achtstundentag damit, am Telefon auf einen Anruf zu warten, der um fünf Uhr abends getätigt wird und ihm erklärt, dass ein anderer Bewerber die Stelle bekommen hat. Er legt auf und benennt diese Firma mit einer neuen, aber unfreundlichen Bezeichnung. Gelegenheiten sind meist nicht schwer zu erkennen, noch bleibt es unbemerkt, wenn sie einem durch die Finger rinnen.
Die Entdeckung der Aspies rückt einige wertvolle, gefährdete Gelegenheiten in den Fokus, die wiederholt vorbeimarschiert sind, ohne dass ihr Potential adäquat erkannt worden wäre.
Es gibt die Gelegenheit, neue Freunde zu finden; die Chance, jene zu bedenken, die vergleichsweise unbeholfen zu sein scheinen, aber entschieden ehrlicher und authentischer.
Außer der Entdeckung neuer Freundschaften gibt es die Möglichkeit, einzigartige Perspektiven und Talente, Probleme zu meistern, nutzbar zu machen. Es gibt einiges zu tun im kommenden Jahrhundert – Krankheiten zu heilen, die Umwelt zu retten, Freiheiten zu bewahren.
Glücklicherweise gibt es Menschen mit Denkweisen, die fähig sind, die Herausforderung anzunehmen, fähig zu fokussieren und beharrlich durchzuhalten. Sie besitzen Perspektiven und Talente, die einzigartig genug sind, die größten Probleme zu lösen oder die herausforderndsten Projekte zu voranzubringen.
Sie sind Aspies.
Sie sind der lebende Beweis dafür, dass die besten Orte zum Spielen immer die sein werden, die erst entdeckt werden.
© Carol Gray und Tony Attwood, 1999. Erstmals veröffentlicht im der Herbstausgabe 1999 von „The Morning News”, Band 11, Nummer 3. Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung.
Zuletzt bearbeitet am 23.04.2023.
Tony Attwood ist Psychologe und Professor an der Griffith University in Queensland, Australien. Durch seine Arbeit zum Asperger-Syndrom wurde er weltweit bekannt und gilt als einer der führenden Experten zum Thema.
Carol Gray ist Direktorin des Gray Center for Social Learning and Understanding in Grand Rapids, Michigan. Sie hat mehr als 20 Jahre lang als Lehrerin Kinder im Autismus-Spektrum unterrichtet und beraten. Bekannt ist sie durch ihre Entwicklung der Social Stories und mehrere Ratgeber für autistische Menschen und ihre Familien.