Wir sind autistisch und das ist gut so.

Visuelle Hilfen

Viele Kinder im Autismus-Spektrum finden es einfacher, die Welt um sich zu verstehen, wenn sie visuelle Hilfen nutzen können. Ein visueller Stundenplan, der die Uhrzeiten und einfache Zeichnungen der Aktivitäten enthält, zeigt autistischen Schüler*innen, was sie wann tun werden.

Der Stundenplan kann sich auf eine Stunde beziehen oder auf eine Woche. Er muss wahrscheinlich an einigen Stellen genauer sein als üblich. Zum Beispiel kann man auf diese Weise helfen, Pausen zu strukturieren.

Manche Schulen verwenden Software, die es ermöglicht, Geschichten, Erklärungen und Anweisungen parallel in Worten und Symbolen auszudrucken. Auch Listen, Gegenstände und Kalender sind visuelle Hilfen, die Kindern helfen können, einen Ablauf von Geschehnissen zu verstehen und vorherzusagen, was passieren wird.

Comics

Einige speziell entwickelte Comics helfen Kindern im Autismus-Spektrum, ihr soziales Verständnis zu entwickeln, weil sie die verschiedenen Kommunikationsebenen eines Gesprächs visuell darstellen. Diese Comics verwenden Symbole, Strichzeichnungen und Farben. Durch die visuelle Darstellung der verschiedenen Elemente werden einige der abstrakteren Aspekte sozialer Kommunikation (zum Beispiel Gefühle und Intentionen anderer zu erkennen) konkreter und deshalb für das Kind einfacher zu verstehen.

Du kannst solche Comics selbst zeichnen (es müssen keine Kunstwerke sein, einfache Skizzen genügen meist). Diese Comics kann man zu alltäglichen sozialen Situationen zeichnen, in denen das Kind Verständnisschwierigkeiten hat.

Ein Mathe-Comic von davidd

Ein Mathe-Comic von David

Social Stories

Kinder im Autismus-Spektrum, die lesen können, können durch sogenannte »Social Stories« lernen, wie sie mit verschiedenen sozialen umgehen können. Social Stories werden meist individuell für das Kind geschrieben. Sie erklären in Worten und Bildern, Schritt für Schritt, was in einer Situation passiert, in der sie sie unsicher fühlen, und zeigt ihnen, wie sie mit dieser Situation umgehen können. Eine solche Geschichte kann zum Beispiel erklären, wie man Bus fährt oder was zu tun ist, wenn man einen Feueralarm hört.

Theater und Rollenspiele

Einige Kinder im Autismus-Spektrum sprechen gut an auf Theater- und Rollenspiele in »sozialen Kompetenzgruppen«. Sie lernen dadurch soziale Kompetenzen wie zum Beispiel Begrüßungen, das abwechselnde Sprechen und Zuhören in einem Gespräch.

Freundeskreis (»Circle of Friends«)

»Circle of Friends« nennt man eine Methode, ein Unterstützungsnetzwerk für ein Kind in einem strukturiertem Umfeld zu fördern, das sich auch über die Grenzen dieser Umgebung hinaus erstecken kann. Diese Herangehensweise schafft keine sofortigen Freundschaften, aber ihr Ziel ist es, dass das Kind im Laufe der Zeit engere und bessere Beziehungen zu anderen Kindern entwickelt. Sechs bis acht Kinder werden rekrutiert, um als Unterstützer*innen den »Freundeskreis« zu bilden. Während einer Reihe von Treffen helfen sie dem Kind im Fokus, seine Gefühle auszudrücken und seine Ängste zu verringern. Das kann zu verbesserter sozialer Integration und zu mehr Kontakt mit Gleichaltrigem führen.

Bildkarten-Kommunikation (PECS)

Junge mit BildkartenPECS steht für Picture Communication Exchange System. Es ist eine verbreitete Herangehensweise, um mit Kindern mit eingeschränkter Sprache zu kommunizieren. Die Lehrkräfte verwenden Bilder als Symbole, um dem Kind die Namen verschiedener Gegenstände beizubringen. Allmählich bringen sie dem Kind bei, das Bild eines Gegenstandes gegen den Gegenstand einzutauschen, den es haben will, einfache Sätze mit den Bildern zu konstruieren und zu verstehen zu geben, welchen Gegenstand oder welche Aktivität sie auswählen.

TEACCH

Teacch-TagesplanTeacch ist eine verbreitete Herangehensweise, um Kindern im Autismus-Spektrum eine strukturierte Umgebung (in Raum und Zeit) zu bieten. Das kann helfen, den Stresslevel der Kinder zu reduzieren und das Verständnis zu fördern. Die Kinder bekommen klare Anweisungen für jede Stufe einer Tätigkeit, die üblicherweise visuell dargestellt werden. Allgemein verwendet die Teacch-Methode viele visuelle Hilfen wie Stundenpläne und Symbolbilder und eignet sich deshalb eher für visuelle Lerntypen.

Verhalten

Manche autistische Kinder haben Verhaltensweisen, mit denen schwierig umzugehen ist. Es ist vielleicht nicht immer unmittelbar ersichtlich, warum ein Kind sich in einer bestimmten Weise verhält, und es kann schwierig sein, die Situation zu kontrollieren, ohne zu verstehen, was dahinter steckt und welche Strategien man verwenden sollte. Es kann zum Beispiel sein, dass ein autistisches Kind mit eingeschränkter sprachlicher Kommunikation nicht in der Lage ist, Gefühle von Angst, Unwohlsein oder Frustration anders auszudrücken als in einem Ausbruch von unerwünschtem Verhalten. Vielleicht haben sie auch gelernt, dass sie durch einen solchen Ausbruch meistens das Gewünschte bekommen. Die Lehrkraft muss deshalb analysieren, was vor dem Ausbruch vor sich ging, dass das Kind aufgebracht haben könnte, und ihnen einen anderen Weg zeigen, um zu kommunizieren, was sie wollen.

Rückzugsmöglichkeiten

Kinder im Autismus-Spektrum sind mit dem üblichen Trubel in der Schule schnell überfordert und überreizt. Sie reagieren dann mit einem Rückzug aus der Situation, entweder körperlich (weglaufen) oder geistig (»abschalten«), oder werden aggressiv, weil sie sich nicht mehr zu helfen wissen.

Mädchen mit iPhoneVersuche, solche Situationen zu vermeiden: Überlege vorher, wie man Überreizung vermeiden kann. Gibt es einen ruhigen Ort, wo das Kind sich erholen kann? Braucht es dort Beaufsichtigung oder kann es sich allein beschäftigen? Manchen Kindern genügt eine Sitzecke im Flur oder eine Bank im Schulhof, wo sie ihre Aufgaben machen können, andere brauchen einen abgetrennten Raum und Assistenz bei ihren Aufgaben. Manchen hilft Musik, um sich zu entspannen, andere können beim Lesen »abschalten«, wenn sie sich mit einem bestimmten Spielzeug beschäftigen. Solche Pausen sind für viele Kinder notwendig, um neue Energie zu schöpfen und ihre Konzentration wiederzufinden.
Achte auf Anzeichen von Überreizung und schick das Kind zu seinem ruhigen Ort, sobald du welche bemerkst oder vermutest, dass bald eine Überlastung eintritt.

Hilfe mit unstrukturierter Zeit

Viele Kinder im Autismus-Spektrum haben ein Problem mit unstrukturierter Zeit, z.B. Schulpausen, besonders mit der großen Pause. Sie vertragen den Lärm und die Unruhe nicht gut und haben Schwierigkeiten mit der unstrukturierten sozialen Interaktion. Je nach Kind kann die Lösung anders aussehen: eine Nutzung bestimmter Räumlichkeiten (z.B. der Schulbibliothek) kann helfen, oder Unterstützung bei der Interaktion mit Klassenkameraden. Ein Tischtennis-Spiel im der Pause ist deutlich strukturierter als die übliche Herumschubserei und für Kinder im Autismus-Spektrum damit zugänglicher.

Im SchulhofAus demselben Grund können auch Ausflüge und Klassenfahrten Schwierigkeiten bereiten. Besprich vorher mit Eltern und Kind, was getan werden muss, damit das Kind Spaß dabei haben kann.

Unterstützung bei motorischen Schwierigkeiten

Manche Asperger-Kinder haben motorische Schwierigkeiten, was sich z.B. im Schulsport (Grobmotorik) oder bei der Handschrift (Feinmotorik) zeigen kann. Falls die motorischen Schwierigkeiten sehr stark sind, kann man darüber nachdenken, dem Kind den Schulsport zu erlassen, wenn die Motorik dafür außerhalb der Schule gefördert wird. Was die Handschrift angeht, ist zu prüfen, ob die Stifthaltung stimmt und ob das Kind mit einem anderen Stift besser zurecht kommt. Allgemein sind dickere Stifte einfacher in der Handhabung. Hilft das nicht, kann man dem Kind erlauben, in der Schule und für die Hausaufgaben einen Laptop zu verwenden. Einfach ignorieren sollte man diese Probleme nicht, denn wenn das Kind sich übermäßig auf eine lesbare Schrift konzentrieren muss, bleibt wenig Aufmerksamkeit für die Inhalte übrig.

Fotos (von oben nach unten): Phil Roeder, davidd, Jennifer Morton, Michelle Yoder, Brad Flickinger, bobbie vie (unter Creative Commons Lizenzen)

Zuletzt bearbeitet am 14.06.2023.

Linus Mueller
Linus Mueller, M.A.

Linus Mueller befasst sich seit 20 Jahren mit Autismus. Er hat hat sein Studium an der Humboldt-Universität zu Berlin mit einer Magisterarbeit über Autismus und Gender abgeschlossen und in mehreren Autismus-Organisationen gearbeitet, bevor er Autismus-Kultur gründete. Linus ist selbst autistisch und Vater eines fabelhaften Kindes. Mehr über Linus