Wir sind autistisch und das ist gut so.

Die Sprachentwicklung bei Autismus kann verzögert sein oder ausbleiben. Autistische Menschen können Probleme beim Sprechen, beim Verstehen von Sprache und bei der sozialen Kommunikation haben. Einige autistische Kinder können überhaupt nicht sprechen, während andere echolalisch sprechen oder Pronomen verwechseln.

Manche Autist*innen haben keine Verzögerung ihrer Sprachentwicklung – früher sprach man hier vom Asperger-Syndrom. Wie alle autistischen Menschen haben sie aber Schwierigkeiten in der sozialen Kommunikation. Das reicht vom Verstehen von Metaphern bis zum Führen eines Gesprächs.

Sprachentwicklung bei Autismus

Ist Autismus eine Sprachentwicklungsstörung?

Autismus ist an sich keine Sprachentwicklungsstörung, kann sich aber auf die Sprachentwicklung auswirken. Die Sprache autistischer Menschen ist sehr unterschiedlich: Während
einige nicht oder kaum sprechen, sind andere sehr eloquent und sprachgewandt und haben keine Probleme, sprachlich zu kommunizieren.

Die Probleme, die alle autistischen Menschen gemeinsam haben, beziehen sich auf soziale Kommunikation und Interaktion.

Können autistische Kinder sprechen?

Viele autistische Kinder können sprechen, aber nicht alle. Es gibt autistische Kinder, die bereits frühzeitig sprechen können und eine ausgezeichnete Sprachentwicklung aufweisen. Andere Kinder hingegen können erst spät oder gar nicht sprechen, was ebenfalls auf ihren Autismus zurückzuführen sein kann.

Autistische Kinder haben unterschiedliche Sprachprobleme haben, je nach Ausprägung ihres Autismus und anderen individuellen Faktoren. Diese reichen von der auditiven Verarbeitung von Sprache über das Bilden von Sätzen bis hin zur sozialen Kommunikation.

Wann sprechen Kinder mit Autismus?

Das Alter, in dem autistische Kinder anfangen zu sprechen, kann stark variieren. Einige Kinder beginnen bereits früh zu sprechen, während andere erst später oder möglicherweise gar nicht sprechen. Im Vergleich zu ihren Altersgenossen zeigen autistische Kinder jedoch häufig eine Verzögerung bei der Sprachentwicklung.

Früher unterschied man anhand der Sprachentwicklung zwischen frühkindlichem Autismus und dem Asperger-Syndrom. Kinder mit Asperger-Syndrom haben keine Verzögerung der Sprachentwicklung, manchmal sprechen sie sogar sehr früh. Frühkindliche Autisten fangen spät (oder gar nicht) an zu sprechen, und sie haben meist eine stärkere Beeinträchtigung ihrer Sprache.

Sprachentwicklung bei Frühkindlichem Autismus

Kinder mit frühkindlichem Autismus haben im Alter von 2-3 Jahren eine verzögerte Sprachentwicklung. Einige holen dies später ganz oder teilweise auf, andere können überhaupt nicht oder nur sehr begrenzt sprechen. Viele autistische Kinder, die sprechen lernen, haben Auffälligkeiten in ihrer Sprache und Kommunikation.

Dazu zählen zum Beispiel ungewöhnliche Sprachmuster, das Wiederholen von Wörtern und Sätzen oder das Vertauschen von Pronomen.

Wann fangen Kinder mit Frühkindlichem Autismus an zu sprechen?

Eine Studie untersuchte die Sprachentwicklung von Kindern mit Frühkindlichem Autismus, die im Alter von vier Jahren nicht sprechen konnten oder nur einzelne Wörter sprachen (einschließlich der gelegentlichen Reihung von Wörtern ohne Verwendung eines Verbs).

Im Alter von 8 Jahren sprachen 70% dieser Kinder vollständige Sätze, und fast die Hälfte (47%) sprach fließend.

Die Wahrscheinlichkeit für eine solche Sprachentwicklung bei Autismus war in der Studie höher, wenn ein Kind einen (nonverbalen) IQ im normalen Bereich hatte und/oder weniger soziale Beeinträchtigungen. Bei diesen Kindern entwickelte sich das Sprechen in vollständigen Sätzen im Durchschnitt auch einige Monate früher als bei anderen Kindern in der Studie.

Repetitive Verhaltensweisen oder Interessen hatten keinen Einfluss auf die Sprachentwicklung.

Die Studie zeigt auch, dass es Kinder gibt, die auch nach dem Alter von 8 Jahren lernen, in vollständigen Sätzen zu sprechen. Die Wahrscheinlichkeit für ein 8-jähriges Kind ist jedoch deutlich geringer als für ein 4-jähriges Kind. Die meisten Fortschritte fanden im Alter von 4-6 Jahren statt.

In der wissenschaftlichen Literatur gibt es Berichte über einzelne Kinder, die sehr spät angefangen haben zu sprechen – im Einzelfall bis zum Alter von 13 Jahren.

Allerdings können auch nicht-sprechende autistische Menschen ihre Kommunikation verbessern, weshalb diesbezügliche Unterstützung auch für Jugendliche und Erwachsene sehr sinnvoll ist.

Sprachentwicklung beim Asperger-Syndrom

Kinder mit Asperger-Syndrom keine wesentliche Sprachverzögerung, manchmal sprechen sie sogar besonders früh. Sie können fließend sprechen, einen großen Wortschatz haben und grammatisch korrekte Sätze bilden. Trotzdem haben sie spezifische Auffälligkeiten in der Verwendung von Sprache im sozialen Kontext.

Dazu können gehören:

  • Sie haben oft Schwierigkeiten, Sprache in sozialen Kontexten angemessen zu verwenden.
  • Sie können Schwierigkeiten mit Smalltalk oder anderen Gesprächen haben.
  • Ihre Art zu Sprechen passt möglicherweise nicht zum Kontext. Vielleicht verwenden sie einem sehr formalen, sachlichen Stil und verwenden ungewöhnliche oder wissenschaftliche Wörter.
  • Sie können Schwierigkeiten haben, die Bedeutung von Redewendungen oder sprachlichen Nuancen zu verstehen, die für andere Menschen leicht zu erfassen sind. Dazu gehören zum Beispiel metaphorische oder bildliche Sprache, Humor, Ironie oder Sarkasmus zu verstehen.

In diesem Artikel erfährst du mehr über Asperger und Kommunikation.

Wann fangen Asperger an zu sprechen?

Kinder mit Asperger-Autismus fangen weitgehend alterstypisch an zu sprechen. Die Diagnosekriterien nach ICD-10 verlangen, dass die Kinder bis zum Alter von zwei Jahren oder früher einzelne Worte sprechen, und dass sie bis zum Alter von drei Jahren oder früher kommunikative Sätze verwenden. 

Wie sprechen autistische Kinder?

Manche autistischen Kinder sprechen gar nicht oder nur einzelne Worte, andere sprechen in kompletten Sätzen mit korrekter Grammatik und großem Vokabular. Es gibt einige typische Auffälligkeiten in der Sprache autistischer Kinder, die bei weitem nicht bei allem Kindern im Autismus-Spektrum zu finden sind. Dazu zählen Echolalie, Pronomenumkehr und wörtliche Sprache.

Echolalie

Manche sprechen Wörter oder Sätze nach, die sie von anderen gehört haben. Zum Beispiel sagt die Mutter, »komm, wir gehen raus«, und das Kind antwortet: »komm, wir gehen raus«. Das nennt man Echolalie.

Und während die Sätze sinnlos klingen, haben sie oft eine kommunikative Intention, im obigen Beispiel vielleicht ein »ja« oder »ich habe es verstanden«. Kinder, die keine eigenen Sätze bilden können, können durch Echolalie trotzdem kommunizieren.

Echolalie kann auch verzögert sein: Vielleicht kommt das Kind eine Woche später zur Mutter und sagt: »Komm, wir gehen raus.« Das würde möglicherweise nicht als Echolalie auffallen, kann aber trotzdem welche sein.

Ich habe einen ausführlichen Artikel über Echolalie bei Autismus geschrieben, in dem du mehr darüber erfahren kannst. In einem weiteren Artikel findest du Informationen über Echolalie als normale Phase der Sprachentwicklung sowie Informationen darüber, bei welchen Behinderungen und Krankheiten sie auftreten kann.

Pronomenumkehr

Autistische Kinder haben manchmal besondere Schwierigkeiten mit den Pronomen »ich« und »du«: Sie verwenden »du«, wenn sie von sich selbst sprechen, und »ich«, wenn sie von ihrem Gegenüber sprechen. Das kann im Gespräch sehr verwirrend sein, ist aber nicht erstaunlich, wenn man bedenkt, dass die Äußerungen (teilweise) echolalisch sein können. Es kommt auch vor, dass das Kind die eigentliche Bedeutung der Pronomen nicht versteht – schließlich meinen sie immer wieder eine andere Person, je nachdem, wer gerade mit wem spricht.

In diesem Artikel findest du weitere Informationen zur Pronomenumkehr.

Wörtliche Sprache

Autistische Menschen haben oft Probleme, Dinge zu verstehen, die nicht-wörtlich gemeint sind, zum Beispiel Redewendungen, Metaphern, Ironie und Sarkasmus.

Warum sprechen manche autistischen Kinder nicht?

Die genauen Gründe, warum manche autistischen Kinder nicht oder kaum sprechen, sind nicht vollständig geklärt. Klar ist, dass biologische (neurologische) Gründe dafür verantwortlich sind. Eine Theorie besagt, dass autistische Menschen Schwierigkeiten mit der Verarbeitung flüchtiger, aneinandergereihter Reize haben.

Hier sehe ich mir verschiedene Theorien an, und prüfe, ob sie als (alleinige) Erklärung in Frage kommen. Dann gehe ich auf meine eigenen Erfahrungen mit Sprache ein, und auf eine interessante Theorie, die gut dazu passt.

Bekannt sind eine Reihe von Faktoren, die ein Ausbleiben der Sprache zwar nicht erklären können, die autistischen Kindern jedoch das Sprechenlernen erschweren können. Dazu gehören Probleme mit sensorischen Reizen, sozialer Interaktion, Kognition und geteilter Aufmerksamkeit.

Probleme in der auditiven Wahrnehmungsverarbeitung können bedeuten, dass ein Kind Sprache zwar hört, aber die Laute nicht gut verarbeiten kann und deshalb die Bedeutung des Gehörten nicht erkennen kann.

Sensorische Überempfindlichkeit ist ein Phänomen, das bei vielen autistischen Kindern auftritt. Sie reagieren empfindlicher auf sensorische Reize wie Lärm oder Licht als andere Kinder. Das kann dazu beitragen, dass sie sich unwohl fühlen oder abgelenkt sind und Schwierigkeiten haben, zu sprechen.

Sensorische Unterempfindlichkeit kommt ebenfalls vor und bedeutet, dass einige Kinder im Autismus-Spektrum bestimmte Reize eher gedämpft und weniger deutlich wahrnehmen, was zu Problemen beim Verstehen von Sprache führen kann.

Die großen Sprachprobleme einiger autistischer Menschen können nicht durch sensorische Probleme oder Beeinträchtigungen per se erklärt werden – es gibt auch nicht-autistische Menschen, die sensorische Integrationsprobleme haben, oder die blind oder gehörlos sind, und die nicht die typisch autistischen Probleme mit Sprache haben. Zudem gibt es auch unter autistischen Menschen keine Korrelation zwischen sensorischen Unterschieden und sprachlichen Fähigkeiten.

Motorische Beeinträchtigungen können man die Sprachverzögerung bei Autismus nicht erklären. Viele autistischen Kinder fangen an zu sprechen, indem sie Sätze nachsprechen, und diese sind in der Regel phonologisch korrekt, die Lautbildung ist also (zumindest bei diesen Kindern) nicht das Problem.

Probleme mit sozialer Interaktion ist eines der Charakteristika von Autismus. Kinder im Autismus-Spektrum haben Schwierigkeiten, soziale Signale wie Augenkontakt und Körpersprache zu verstehen und auszudrücken. Diese Herausforderungen können auch die Sprachentwicklung beeinträchtigen, da Sprache oft in sozialen Kontexten verwendet wird.

Die Schwierigkeiten in der sozialen Interaktion können auch keine alleinige Erklärung sein, denn diese haben alle autistischen Menschen, auch die ohne Sprachverzögerung (Asperger-Syndrom).

Angst und Stress können ebenfalls die Fähigkeit eines autistischen Kindes beeinträchtigen, zu sprechen. In ungewohnten oder überstimulierenden Situationen können sie sich unwohl fühlen und Schwierigkeiten haben, ihre Gedanken in Worte zu fassen.

Kognitive Herausforderungen spielen ebenfalls eine Rolle: Manche autistische Kinder können Schwierigkeiten haben, komplexe Gedanken in Worte zu fassen oder ihre Gedanken in eine sinnvolle Reihenfolge zu bringen. Diese kognitiven Herausforderungen können sich auf ihre Fähigkeit auswirken, effektiv zu kommunizieren und eine angemessene Sprachentwicklung zu erreichen. Aber viele nicht-autistische Menschen mit stärkerer kognitiver Behinderung sprechen besser – als alleinige Erklärung genügt das also nicht.

Geteilte Aufmerksamkeit, auch bekannt als Joint Attention, kann ein möglicher Faktor für die Sprachentwicklung bei autistischen Kindern sein. Joint Attention beschreibt die Fähigkeit eines Kindes, die Aufmerksamkeit auf ein Objekt oder Ereignis zu lenken und diese Aufmerksamkeit mit einer anderen Person zu teilen. Ein Beispiel wäre eine Mutter und ein Kind, die zusammen ein Bilderbuch ansehen und über die Abbildungen reden. Das kann wichtig, um die Bedeutung von Wörtern und Sätzen zu verstehen und angemessen darauf zu reagieren.

Bei autistischen Kindern kann es zu Schwierigkeiten mit Joint Attention kommen. Sie haben häufig Schwierigkeiten, ihre Aufmerksamkeit auf mehrere Dinge gleichzeitig zu richten.

Zum Beispiel zeigt der Vater auf einen Ball und sagt: »Da ist der Ball.« Wenn es dem Kind nicht gelingt, sowohl den Ball als auch die Worte wahrzunehmen (zum Beispiel weil es sich sehr stark auf dem Ball fokussiert), ist es sehr schwierig, Sprache zu lernen. Denn das Kind kann die Laute nicht mit dem Gegenstand assoziieren und deshalb die Bedeutung nicht verstehen.

Ein Problem dieser Theorie ist die Messung geteilter Aufmerksamkeit, die auf offensichtlichen Anzeichen für Aufmerksamkeit beruht – bei autistischen Kindern ist nicht immer erkennbar, worauf sich ihre Aufmerksamkeit gerade richtet. Ein weiterer Aspekt ist, dass autistische Kinder, neurotypische Kinder und auch Kinder mit Williams-Syndrom nachgewiesenermassen neue Wörter ohne geteilte Aufmerksamkeit lernen.

Auch die umstrittene Theory of Mind wird manchmal als Erklärung für ausbleibende Sprachentwicklung bei Autismus herangezogen: Frühe Stufen einer Theory of Mind sollen demnach notwendig sein für die Fähigkeit, Symbole zu verwenden (z. B. Wörter oder Gebärden). Es ist allerdings unklar, warum das überhaupt der Fall sein sollte.

Zudem sind die frühen Stufen der Theory of Mind meines Wissens nicht nachweisbar – die Theory of Mind selbst wird üblicherweise mit dem (ebenfalls umstrittenen) Sally-Anne-Test getestet, und diesen bestehen nicht-autistische Kinder ungefähr ab vier Jahren. Zu diesem Zeitpunkt können sie natürlich bereits sprechen.

Ein Problem mit dem Sally-Anne-Test ist, dass Kinder ein relativ komplexes Sprachverständnis brauchen, um die korrekte Antwort zu geben. Forschende habe darauf hingewiesen, dass die Probleme autistischer Kinder mit diesem Test eher an mangelndem Sprachverständnis liegen als an einer fehlenden Theory of Mind.

Die Theorie, dass autistische Kinder keine Theory of Mind hätten, ist wahrscheinlich so nicht zutreffend.

Meine Erfahrungen mit Sprache

Ich selbst bin autistisch und hatte (meines Wissens) keine Sprachverzögerung. Trotzdem fallen mir ein paar Dinge auf, wenn ich meine Erfahrungen mit Sprache ansehe:

Mein Tor zur Welt waren Bücher. Sobald ich lesen konnte, habe ich es auch getan: während dem Essen, manchmal auch im Auto, bis es mir schlecht wurde, heimlich in der Nacht, und in meiner Freizeit sowieso.

Ich verstehe geschriebene Sprache besser als mündliche, was im Deutschen nicht auffällt, in Fremdsprachen aber schon. In der Schule war ich in Fremdsprachen gut, aber mit »Listening Comprehension« hatte ich große Schwierigkeiten.

Ähnlich ist es bei der Sprachproduktion: Ich kann besser schreiben als sprechen. In mündlichen Prüfungen war ich zuverlässig eine Note schlechter als in schriftlichen.

Und ich bin mit diesen Erfahrungen nicht allein. Viele autistische Menschen erzählen ähnliches.

Was ist das Problem mit mündlicher Sprache? Naja, sie ist einfach sehr schnell wieder weg.

Donna Williams drückte es poetischer aus:

»Ich mag Wörter als Geräusche und Farben, aber gesprochene Wörter rutschen mir weg wie Wolken am windigen Himmel.«

Donna Williams

Ich habe dieses Problem nicht nur mit Wörtern, sondern auch mit Bewegungen. Ich kann schnelle Bewegungen schlecht erkennen. Zum Beispiel kann ich beim Sport nicht erkennen, ob jemand gefoult hat, auch nicht in der Zeitlupe. Ich habe nie verstanden, wie andere das erkennen können.

Und wenn jemand eine Bewegung vormacht (z. B. beim Karate oder Tanzen), habe ich Schwierigkeiten, sie nachzumachen. Ich habe tatsächlich einmal Karate gemacht, und das ging nur, weil es Modernes Sportkarate war, das eine andere Didaktik verwendet: Jede Übung wird in einzelne Haltungen und Bewegungen zerlegt, diese werden einzeln geübt und dann zusammengesetzt. Das hat für mich funktioniert.

Was hat das mit Sprache zu tun?

Schwierigkeiten bei der Verarbeitung flüchtiger Reize

Tatsächlich gibt es eine Theorie, dass autistische Menschen Schwierigkeiten haben, flüchtige, aneinandergereihte Reize zu verarbeiten. Und genau daraus besteht Lautsprache und auch Gebärdensprache.

Die Forscherin Jill Boucher beschreibt dies als »time-parsing deficits« (Beeinträchtigung des zeitlichen Zerlegens), und argumentiert, dass alle Menschen im Autismus-Spektrum diese in irgendeiner Weise haben, allerdings in Bezug auf unterschiedliche Zeitspannen.

Wenn die Beeinträchtigung sich zum Beispiel auf die Zeitspanne eines Satzes bezieht, leidet die Grammatik und die Person kann keine Sätze bilden.

Bei autistischen Menschen, die nicht sprechen können, bezieht sich die Beeinträchtigung auf eine sehr kurze Zeitspanne, ist die Bildung sinnhafter Laute gestört.

Boucher argumentiert auch, dass diese Beeinträchtigung im »Time-Parsing«, wenn sie sich auf eine längere Zeitspanne bezieht, die pragmatischen Schwierigkeiten autistischer Menschen ohne Sprachverzögerung in Gesprächen erklären kann. (Pragmatik bezeichnet in der Linguistik die Verwendung von Sprache im Kontext).

Ich denke, dass diese Schwierigkeiten wahrscheinlich noch weitere Gründe haben. Die Probleme mit zeitgebundenen Reizen erklären aber einige typisch autistische Schwierigkeiten in Gesprächen, wie zum Beispiel zu wissen, wann man dran ist mit Sprechen.

Auch nonverbale Kommunikation ist üblicherweise flüchtig – möglicherweise ist sie für autistische Menschen deshalb so schwer wahrnehmbar.

Man kann diese Schwierigkeiten aus aus der Monotropismus-Theorie heraus erklären: Autistische Menschen tendieren dazu, ihre Aufmerksamkeit stark auf eine einzelne Sache zu fokussieren – das nennt man »monotrope Aufmerksamkeit«.

Sie haben Schwierigkeiten, ihre Aufmerksamkeit von einer Sache zur nächsten springen zu lassen, oder sie auf mehrere Dinge gleichzeitig zu richten.

Sprache erfordert es aber, die Aufmerksamkeit sehr schnell von einem Laut zum nächsten gleiten zu lassen, oder von Wort zu Wort, Satz zu Satz.

Wie gesagt, ich weiß nicht, ob das alle Schwierigkeiten autistischer Menschen mit Sprache erklären kann (oder muss). Es erklärt zumindest einen Teil der Schwierigkeiten, die ich persönlich mit gesprochener Sprache und anderen flüchtigen Reizen habe.

Die Theorie hilft auch zu verstehen, warum die Verwendung visueller Hilfsmittel autistischen Kindern nachgewiesenermassen beim Spracherwerb helfen kann. Bilder sind nicht flüchtig, und helfen beim Verstehen. Sie können helfen, Wörter zu »verankern«.

Sprache ist ein sehr komplexer Vorgang, und es gibt viele Faktoren, die die Sprachentwicklung bei Autismus beeinflussen können.

Wenn du mehr darüber wissen willst, wie du (d)ein autistisches Kind dabei unterstützen kannst, seine Sprache und Kommunikation zu entwickeln, sind diese Artikel für dich interessant:

  • Sprachförderung bei Autismus: Tipps und Strategien
  • Logopädie bei Autismus
  • Unterstützte Kommunikation bei Autismus
Quellen und Studien

Zuletzt bearbeitet am 06.06.2023.

Linus Mueller
Linus Mueller, M.A.

Linus Mueller befasst sich seit 20 Jahren mit Autismus. Er hat hat sein Studium an der Humboldt-Universität zu Berlin mit einer Magisterarbeit über Autismus und Gender abgeschlossen und in mehreren Autismus-Organisationen gearbeitet, bevor er Autismus-Kultur gründete. Linus ist selbst autistisch und Vater eines fabelhaften Kindes. Mehr über Linus