Wir sind autistisch und das ist gut so.

Für autistische Studierende ist es wichtig, eine Unterkunft zu finden, die ihren Anforderungen gerecht wird. In diesem Artikel stelle ich dir verschiedene Wohnformen mit ihren Vor- und Nachteilen vor und teile Tipps für die Wohnungssuche.

Wohnen im Studium: Die Möglichkeiten

Bei den Eltern wohnen

Wenn deine Hochschule in der Nähe deines Elternhauses ist, kannst du wahrscheinlich bei deinen Eltern wohnen bleiben. Das spart nicht nur Kosten, sondern entlastet dich auch im Alltag. Denn wenn du zu Beginn deines Studiums auch noch die Organisation des Alltags bewältigen musst (Kochen, Haushalt etc.), kann das für manche autistische Studierende zu viel werden.

Es kann auch schön sein, zumindest einen Teil seiner gewohnten Routinen und Umgebung beibehalten zu können.

Ein großer Vorteil, zumindest wenn du ein gutes Verhältnis zu deinen Eltern hast, ist der alltägliche Kontakt mit ihnen. Deine Eltern können dich nicht nur praktisch, sondern auch emotional unterstützen.

Du solltest im Haushalt deiner Eltern mithelfen – irgendwann willst du wahrscheinlich ausziehen und dafür solltest du idealerweise Fähigkeiten und eine gewisse Routine im Wäsche waschen, Kochen und putzen entwickelt haben.

Wenn du während dem Studium (oder zumindest zu Beginn) bei deinen Eltern wohnst, kannst du allmählich und unter Anleitung in diese Dinge hineinwachsen, anstatt sie plötzlich und unvorbereitet neben den Anforderungen des Studiums komplett allein bewältigen zu müssen.

Studentenwohnheime

Studentenwohnheime sind eine der beliebtesten Wohnformen für Studierende. Sie bieten eine preisgünstige Unterkunft und sind oft in der Nähe der Universität gelegen.

Wohnheime für Studierende können unterschiedlich aussehen. Oft hast du ein eigenes Zimmer, aber es gibt manchmal auch 2er- oder 3er-Zimmer. In manchen Wohnheimen hast du ein eigenes Bad und sogar eine Küchenzeile im Zimmer, in anderen gibt es ein Gemeinschaftsbad und/oder eine Gemeinschaftsküche.

Dementsprechend hast du unterschiedlich viel (oder wenig) Privatsphäre. In der Küche andere Studierende zu treffen, sich aber bei Bedarf ins eigene Zimmer zurückziehen zu können, kann für viele autistische Studierende eine gute Balance sein.

Im Wohnheim gibt es ein paar Dinge um die du dich (im Gegensatz zu einer eigenen Wohnung) nicht selbst kümmern brauchst. Strom- und Internetverträge zum Beispiel gibt es schon.

Ein möglicher Nachteil eines Studentenwohnheims ist, dass es manchmal unruhig und laut sein kann. Entgegen dem Klischee ist es aber nicht so, dass hier jede Nacht eine Party gefeiert wird – du wirst hier viele Studierende finden, die ebenfalls Ruhe zum Lernen brauchen.

Falls du die Möglichkeit hast, dir ein Zimmer auszusuchen, wähle möglichst eins, das nicht direkt neben den Gemeinschaftsräumen gelegen und deshalb etwas ruhiger ist.

Leider sind Wohnheimplätze in vielen Städten rar und sehr begehrt. Wenn du einen Schwerbehindertenausweis mit einem GdB von 50 oder mehr hast, wirst du möglicherweise vorrangig aufgenommen. Auch finanzielle Härte kann ein Kriterium sein – aber viele Studierende haben wenig Geld.

Wenn kein Platz frei ist, kannst du auf eine Warteliste kommen. Die Wartezeit kann unterschiedlich sein – fünf Semester sind keine Seltenheit. Sofern es für dich prinzipiell in Frage kommt, im Laufe deines Studiums im Studentenwohnheim zu wohnen, solltest zu Beginn des Studiums nachfragen, ob es Plätze gibt bzw. wie lange die Wartezeit wäre, und dich dann einfach auf die Warteliste setzen lassen. Ablehnen kannst du den Platz später immer noch.

WG-Zimmer

Ein Zimmer in einer WG zu mieten ist ebenfalls eine beliebte Möglichkeit bei Studierenden, weil man so Kosten sparen kann: Hier teilt man sich die Wohnung mit anderen Mitbewohnern und kann somit die Miete und die Nebenkosten teilen.

Ein Nachteil können mögliche Konflikte mit den Mitbewohner*innen sein. In WGs findest du unterschiedlichste Menschen mit unterschiedlichsten Vorstellungen. Dementsprechend gibt es laute und leise, ordentliche und unordentliche WGs.

Wenn du in einer WG wohnen willst, überlege dir, was dir wichtig ist: Ist es eine reine Zweck-WG oder möchtest du Freundschaften schließen? Wie chaotisch darf die WG sein? Was würde für dich nicht funktionieren? In einer WG gibt es oft (sowohl explizite als auch unausgesprochene) Regeln für das Zusammenleben. Wenn du weißt, was du willst und brauchst, kannst du eher einschätzen, ob die jeweilige WG deinen Vorstellungen entspricht.

Wenn Konflikte auftreten, sollten diese frühzeitig angesprochen und gelöst werden. Soziale Kontakte können auch ein Vorteil einer WG sein, wenn man sich gut versteht.

WG werden meist über Kleinanzeigen-Portale ausgeschrieben. Die Bewerbung kann sehr einfach sein, kann aber auch zum Casting ausarten. Oft werden Mitbewohner*innen bevorzugt, die bereits WG-Erfahrung haben.

Eigene Wohnung

Eine eigene Wohnung ist sicherlich die beste Wahl, wenn man maximale Privatsphäre und Unabhängigkeit haben möchte. Vor allem in begehrten Städten sind die Mietkosten aber in der Regel deutlich höher als bei den anderen Optionen.

Ein weiterer Nachteil ist, dass du allein in einer Wohnung unter Umständen einsam sein kannst. Gerade wenn du noch nie allein gewohnt hast, solltest du diesen Punkt nicht unterschätzen. Entgegen dem Klischee, dass autistische Menschen gern allein sein, wollen und brauchen fast alle Autist*innen ein gewisses Maß an sozialem Kontakt.

Unterstütztes Wohnen

Wenn du Unterstützung brauchst, um selbständig wohnen zu können, kannst du ambulant unterstütztes Wohnen beantragen. Das bedeutet, dass regelmäßig (zum Beispiel einmal die Woche) eine Wohnasssitenz kommt und dir hilft, haushalts- und alltagsbezogene Dinge zu erledigen. Du kannst ambulant unterstütztes Wohnen unabhängig davon bekommen, ob du in deiner eigenen Wohnung, einer WG, oder einem Studierendenwohnheim wohnst.

Es gibt auch sogenannte Autisten-WGs, die meist von sozialen Organisationen organisiert und verwaltet werden. Du lebst hier mit anderen autistischen Menschen in einer Wohnung, hast dein eigenes Zimmer, aber ihr teilt euch Bad und Küche. Möglicherweise gibt es auch ein gemeinsames Wohnzimmer. Ihr erhaltet regelmäßige Unterstützung durch eine Assistenz im Rahmen des Ambulant Unterstützten Wohnens.

Es kann auch eine Option sein, vor Beginn des Studiums ein Wohntraining zu machen, um die notwendigen Fähigkeiten zu lernen, um alleine zu leben.

Es gibt weitere Möglichkeiten des unterstützten Wohnens wie beispielsweise Wohnheime für behinderte Menschen. Die meisten autistischen Studierenden werden aber nach mehr Unabhängigkeit streben.

Das Maß an Unterstützung, das autistische Studierende brauchen, ist sehr unterschiedlich und möglicherweise schwierig einschätzen, bevor du von zu Hause ausziehst.

Versuche, schon zur Schulzeit regelmäßig im Haushalt deiner Eltern mitzuhelfen, zum Beispiel zu kochen, die Wäsche zu waschen, zu putzen und aufzuräumen, um dir diese Fähigkeiten anzueignen und eine gewisse Routine darin zu entwickeln.

Deine Eltern können dich auch miteinbeziehen, wenn es um »Papierkram« geht – Briefe von und an Behörden, Banken und andere Stellen.

Sprich mit deinen Eltern über Dinge, die dich (noch) überfordern und überlegt gemeinsam, welche Lösungen für die Studienzeit infrage kommen.

Tipps für die Wohnungssuche

Die Wohnungssuche kann eine Herausforderung sein, besonders in Großstädten, wo die Nachfrage nach Wohnungen hoch ist. Hier sind einige Tipps, die Ihnen bei der Wohnungssuche helfen können:

  • Frühzeitig suchen: Fange frühzeitig mit der Wohnungssuche an, um genügend Zeit zu haben, verschiedene Wohnungen zu besichtigen und eine Entscheidung zu treffen.
  • Nutze Online-Portale wie ImmobilienScout24 oder WG-Gesucht, um nach passenden Wohnungen zu suchen.
  • Nutze soziale Medien. In geeigneten Facebook-Gruppen kannst du manchmal Wohnungen oder WGs finden.
  • Auch im Kleinanzeigenteil lokaler Zeitungen kannst du fündig werden.
  • Frage deine erweiterte Familie, Freunde oder Kommilitonen, ob sie von freien WG-Zimmern wissen oder jemanden kennen, der eine Wohnung vermietet.
  • Stelle deine Unterlagen zusammen: Wenn du keinen Einkommensnachweis hast, wird oft eine Mietbürgschaft der Eltern (sowie deren Einkommensnachweise) verlangt. Manchmal brauchst du weitere Unterlagen.
  • Bereite dich auf die Besichtigungen vor: Präsentiere dich sauber und ordentlich und überlege dir, was du dir anschauen willst und was du möglicherweise fragen willst.

Checkliste für die Wohnungssuche

Damit du bei der Suche nach einer passenden Wohnung keine wichtigen Punkte vergisst, habe ich hier eine Checkliste für dich zusammengestellt:

  • Lage
  • Größe
  • Zustand der Wohnung
  • Mietpreis
  • Nebenkosten
  • Kaution
  • Vertragsbedingungen
  • Einrichtung
  • Verkehrsanbindung
  • Einkaufsmöglichkeiten
  • Lärmbelästigung

Möglicherweise fallen dir weitere Punkte ein, die für dich wichtig sind. Und wahrscheinlich wirst du in einigen Punkten Abstriche machen müssen, besonders wenn du die Wohnungen in deiner Stadt knapp sind.

Trotzdem ist es wichtig, dass du dich in deiner Unterkunft wohl fühlst und sie geeignet ist für dein Studium – bezahlbar, kein endloses Pendeln, keine schlaflosen Nächte wegen Party-Lärm.

Fragen und Antworten

Wie viel Geld sollte ich monatlich für die Miete einplanen?

Das hängt davon ab, wo du wohnen wirst und welche Art von Unterkunft du suchst. Eine WG oder ein Studentenwohnheim kosten oft weniger als eine eigene Wohnung. Eine gute Orientierungshilfe sind die durchschnittlichen Mietpreise in deiner Stadt.

Beachte dabei den Unterschied zwischen Kalt- und Warmmiete, und bedenke, dass oft weitere Fixkosten dazukommen, wie zum Beispiel für Strom, Internet und Rundfunkgebühren.

Auf WG-Suche.de finest du die Mietkosten für ein WG-Zimmer oder eine kleine Wohnung im Städtevergleich. Unter Umständen macht es Sinn, sich die Uni auch nach den Lebenshaltungskosten auszusuchen.

Wie finde ich eine passende WG?

Du kannst Online-Portale wie WG-Gesucht nutzen, um passende Angebote zu finden. Auch soziale Medien oder Empfehlungen von Freunden können hilfreich sein. Oft gehen WG-Angebote auch über studentische Mailinglisten oder Whatsapp-Gruppen.

Kann ich als Student*in eine eigene Wohnung mieten?

Als Student*in darfst du eine eigene Wohnung mieten. Allerdings brauchst du wahrscheinlich eine Mietbürgschaft deiner Eltern. Und nicht alle Vermieter*innen vermieten gern an Studierende – das hängt sehr vom Wohnungsmarkt in deiner Stadt ab.

Was sollte ich bei der Besichtigung einer Wohnung beachten?

Achte auf den Zustand der Wohnung, die Vertragsbedingungen, die Lage und die Mietkosten (auch die zu erwartenden Nebenkosten). Bereite sich vor und stelle gezielte Fragen, um alle relevanten Informationen zu erhalten. Wenn es dir hilft, bitte jemanden aus deiner Familie, dich zu begleiten.

Zuletzt bearbeitet am 10.05.2023.

Linus Mueller
Linus Mueller, M.A.

Linus Mueller befasst sich seit 20 Jahren mit Autismus. Er hat hat sein Studium an der Humboldt-Universität zu Berlin mit einer Magisterarbeit über Autismus und Gender abgeschlossen und in mehreren Autismus-Organisationen gearbeitet, bevor er Autismus-Kultur gründete. Linus ist selbst autistisch und Vater eines fabelhaften Kindes. Mehr über Linus