Autismus-Symptome bei Babys und Kleinkindern
Als mein Sohn 18 Monate als war, brachte eine Freundin ihr 9 Monate altes Baby mit zu uns. Ich hatte so viel Spaß mit dem Baby – es gab diese ständige Interaktion zwischen uns. Da habe ich bemerkt, dass das bei meinem kleinen Jungen völlig fehlte.
—Anne, Mutter von Leon, 4 Jahre
Inhaltsverzeichnis
Frühe Anzeichen von Autismus bei Babys und Kleinkindern
Die frühesten Anzeichen von Autismus beziehen sich auf das Fehlen von Verhaltensweisen, die üblicherweise vorhanden sind – deshalb kann es schwierig sein, sie zu bemerken. Autistische Kinder werden manchmal als »brave Babys« eingeschätzt, weil sie ruhig, unabhängig und anspruchslos wirken. Man kann die Anzeichen aber bemerken, wenn man darauf achtet.
Ein Liste früher Symptome von Autismus (für die ersten zwei Lebensjahre) haben wir hier zusammengestellt.
Soziale Kommunikation
Das Kind…
- zeigt nicht auf Gegenstände oder hält sie nicht hoch, um sie anderen Leuten zu zeigen, um eine Erfahrung zu teilen oder zu zeigen, dass es etwas haben will – zum Beispiel zeigt das Kind nicht auf einen Hund und dann zu Dir, um sicherzugehen, dass Du den Hund auch gesehen hast, oder es lässt ein Spielzeug in Deinen Schoß fallen und geht weg, statt es hochzuhalten und Dich anzusehen.
- verwendet keinen Blickkontakt, um die Aufmerksamkeit einer Person zu bekommen – blickt zum Beispiel nicht einen Elternteil an und dann eine Banane, um zu zeigen, dass es sie essen will.
- reagiert dauerhaft nicht auf seinen Namen, oder den Klang einer vertrauten Stimme.
- lächelt nicht, wenn es angelächelt wird, ahmt Bewegungen und Gesichtsausdrücke nicht nach.
- verwendet keine Gesten – winkt z.B. nicht zum Abschied, ohne dazu aufgefordert zu werden, oder ohne jemand anderen nachzumachen, der winkt.
- folgt mit dem Blick nicht der Geste, wenn man auf Dinge zeigt (sieht auf die Hand, nicht auf den Gegenstand, auf den sie zeigt).
- streckt nicht die Arme aus, um hochgenommen zu werden.
- macht keine Geräusche, um Deine Aufmerksamkeit zu bekommen.
- bittet nicht um Hilfe oder andere grundlegenden Wünsche
- zeigt kein Interesse an anderen Kidnern, spielt nicht mit anderen, teilt nicht seine Freude oder sein Interesse
- fängt keine Spiele wie »kuckkuck« an, spielt keine »So-Tun-als-ob« Spiele wie Sandkuchen backen oder den Teddy füttern
- klingt nicht so, als ob es sich mit Dir unterhält, wenn es babbelt
- versteht einfache Anweisungen nicht – zum Beispiel »Gib mir dem Bauklotz« oder »Zeig mir dem Hund«
- spricht nach, was es von anderen oder aus dem Fernsehen hört – wenn Du das Kind z.B. fragst, ob es mehr zu trinken haben möchte, wiederholt es »mehr zu trinken«.
Verhalten
Das Kind…
- interessiert sich sehr für bestimmte Gegenstände und bleibt bei diesen »hängen« – zum Beispiel schaltet es wiederholt das Licht an und aus, oder spielt nur mit Autos.
- interagiert mit Spielzeugen und anderen Gegenständen nur in einer bestimmten Weise, statt sie für verschiedene Spiele zu nutzen oder in der Weise wie vorgesehen. Zum Beispiel dreht das Kind ständig am Rad eines Spielzeugautos oder sortiert Gegenstände in Linien an.
- interessiert sich sehr für ungewöhnliche Dinge oder Aktivitäten – z.B. den Abfluss, metallische Objekte, oder eine bestimmte Fernsehwerbung wieder und wieder anzusehen.
- interessiert sich (nur) für eng umgrenzte Gegenstände und Aktivitäten, die oft wiederholt durchgeführt werden (z.B. das Anordnen von Gegenständen)
- ist aufgebracht oder verunsichert von Veränderungen in der Alltagsroutine – Dinge wie zu Bett gehen, Essen oder das Haus verlassen müssen jeden Tag auf die selbe Weise gemacht werden.
- wiederholt Bewegungen oder macht ungewöhnliche Bewegungen, wie z.B. das »Flattern« mit dem Händen oder das Gehen auf Zehenspitzen.
- reagiert sehr empfindlich auf bestimmte sensorische Reize – z.B. regen bestimmte Geräusche das Kind auf oder es isst nur Essen, das eine bestimmte Konsistenz hat.
- sucht sensorische Stimulation – z.B. dreht das Kind das Gesicht zum Licht und »flattert« mit den Händen vor den Augen, um das Licht flimmern zu sehen, oder es sucht vibrierende Gegenstände wie die Waschmaschine auf.
Manche Kinder haben viele dieser frühen Autismus-Symptome, andere nur wenige. Auch nicht-autistische Kinder zeigen das eine oder andere Verhalten.
Einige der Verhaltensweisen verändern sich im Laufe der Zeit, oder werden eindeutiger, wenn das Kind älter wird.
Ein Verlust bereits erlernter Fähigkeiten sollte immer mit einem Arzt besprochen werden.
Auch folgende Verzögerungen sollte man mit dem Kinderarzt besprechen:
- Mit 6 Monaten: Kein breites Lächeln oder andere warme, freudige Gesichtsausdrücke
- Mit 9 Monaten: Kein Hin- und Her von Geräuschen, Lächeln, oder anderer Gesichtsausdrücke
- Mit 12 Monaten: Keine Reaktion auf den Namen
- Mit 12 Monaten: Kein Babbeln oder Babysprache
- Mit 12 Monaten: Kein Teilen von Gesten wie Zeigen, Arme ausstrecken oder winken
- Mit 16 Monaten: Keine gesprochenen Wörter
- Mit 24 Monaten: Keine Zwei-Wort-Sätze mit Sinngehalt (die nicht nur nachgesprochen sind)
Diese Liste von frühen Autismus-Symptomen dient nicht zur Diagnose! Zum einen hat jedes Kind ein paar Eigenheiten, zum anderen sagen die Symptome uns nicht, was die Ursache des Verhaltens ist. Eine Sprachentwicklungsverzögerung kann z.B. auch an Hörproblemen liegen. Ein Kinderarzt kann solche Probleme ausschließen und eine Überweisung zu einem Spezialisten ausstellen.
Zuletzt bearbeitet am 02.02.2022.
Linus Mueller befasst sich seit 20 Jahren mit Autismus. Er hat hat sein Studium an der Humboldt-Universität zu Berlin mit einer Magisterarbeit über Autismus und Gender abgeschlossen und in mehreren Autismus-Organisationen gearbeitet, bevor er Autismus-Kultur gründete. Linus ist selbst autistisch und Vater eines fabelhaften Kindes. Mehr über Linus