Wir sind autistisch und das ist gut so.

Der RAADS-R Test (»Ritvo Autism Asperger Diagnostic Scale – Revised«) ist ein Fragebogen mit 80 Fragen, der dazu dient, Erwachsene im Autismus-Spektrum zu identifizieren. Er wird zum sogenannten »Screening« verwendet, kann also keine Diagnose stellen, aber eine erste Einschätzung geben.

Der RAADS-R Test ist einer der Autismus-Screening-Tests, die online hier auf Autismus-Kultur zur Verfügung stehen.

Für wen ist der RAADS-R Test geeignet?

Der RAADS-R Test wurde für Erwachsene (ab 18 Jahren) mit durchschnittlicher oder überdurchschnittlicher Intelligenz (d. h. IQ über 80) entwickelt.

Er wurde auch schon bei Jugendlichen ab 16 Jahren eingesetzt und hat sich in dieser Altersgruppe ebenfalls bewährt.

Der RAADS-R ist eigentlich dazu gedacht, im Rahmen der Diagnostik zum Autismus-Screening eingesetzt zu werden. Dabei füllt die Patient*in den Fragebogen zwar selbst aus, die Diagnostiker*in überprüft diese aber aus der Außensicht.

Denn wie auch bei anderen Selbsttests kann es z. B. vorkommen, dass Personen mit geringer Reflexionsfähigkeit niedrige Werte im RAADS-R erzielen, obwohl sie autistisch sind.

Was misst der RAADS-R Test?

Die Fragen des ursprünglichen RAADS (Ritvo et al. 2008) bewerteten Auffälligkeiten in drei Symptombereichen: Sprache, soziale Beziehungen und Sensomotorik.

Nach einer Überprüfung des ursprünglichen RAADS-Tests wurde der überarbeitete RAADS-R entwickelt, wobei ein vierter Symptombereich (eng umgrenzte Interessen), zwei Fragen und mehrere Präzisierungen der Formulierung hinzugefügt wurden.

Der RAADS-R Test erfasst vier Symptombereiche:

  • Probleme mit sozialen Beziehungen
  • Eng umgrenzte Interessen
  • Sprache
  • Sensomotorik

Wie zuverlässig ist der RAADS-R Test?

Der RAADS-R gilt allgemein als valides und zuverlässiges Instrument zur Unterstützung der Diagnostik autistischer Erwachsener. Es gibt allerdings auch kritische Stimmen.

Dia Validierungsstudie

In einer Validierungsstudie (Ritvo et al., 2011) mit einer Stichprobe von 201 Erwachsenen mit einer Autismus/Asperger-Diagnose und 578 neurotypischen Erwachsenen aus den USA und Australien wurde der Cutoff-Score von 65 festgelegt.

Das bedeutet: Wer 65 oder mehr Punkte hat, wird als autistisch eingeschätzt, wer weniger Punkte hat, wird als nicht-autistisch eingeschätzt.

Bei diesem Wert lag keine nicht-autistische Person über dem Schwellenwert (Spezifität = 100 %) und nur 3 % der autistischen Gruppe lagen nicht über dem Cutoff-Wert (Sensitivität = 97 %).

Die Test-Retest-Zuverlässigkeit war hoch (0,987) und der Test hatte eine hohe Übereinstimmungsvalidität (96 %) mit dem SRS-A.

Die nicht-autistische Testgruppe bestand aus 578 Personen, die keine Autismus-, Asperger- oder PDD-NOS-Diagnose hatten. Sie schloss jedoch Personen mit anderen klinischen Diagnosen mit hoher Prävalenz ein, damit die Stichprobe repräsentativ für die nicht-autistische Bevölkerung ist.

Andere Studien zum RAADS-R Test

Diese Zahlen klingen sehr gut – fast alle Personen wurden richtig klassifiziert – aber sie sind aus der Validierungsstudie. Das bedeutet, dass ein optimaler Cut-Off-Wert aufgrund der Testergebnisse der Teilnehmenden bestimmt wurde.

Und, wie auch bei ADOS und AQ-Test, führten nach der Validierungsstudie andere Forscher*innen Studien durch, und diese ergaben eine deutlich geringere Genauigkeit des RAADS-Tests:

Sensitivität (%)Spezifizität (%)
Andersen et al.90,792,9
Sizoo et al.7358
Conner et al.5273

Diese Zahlen sind tendenziell etwas besser als die des AQ-Tests, bei dem mehrere Studien ebenfalls sehr unterschiedliche Ergebnisse brachten.

Und letztlich, darauf weisen auch die Autor*innen der Studien hin, ist es auch möglich, dass bei der Diagnostik im Rahmen der Studie Fehler (bzw. unterschiedliche Einschätzungen) passieren.

Keine Autismus-Diagnostik, ob mit oder ohne Tests, ist über eine große Gruppe hinweg zu 100 % korrekt (oder vielleicht sollte man besser sagen, nicht zu 100 % übereinstimmend mit den Ergebnissen anderer Diagnostiker*innen).

Eine weitere Studie (Jones et al.) kam sogar zum Ergebnis, dass der RAADS-R Test keine Validität hat, weil kein Unterschied in den Punktzahlen autistischer und nicht-autistischer Testpersonen erkennbar war.

Insgesamt kann man sagen, dass der RAADS-R Test, wie auch andere Tests, keine Diagnose vorhersagen kann, sondern bestenfalls eine Einschätzung geben kann.

Punktevergabe und Interpretation des RAADS-R Tests

Die Gesamtpunktzahl des RAADS-R reicht von 0 bis 240, wobei eine höhere Punktzahl eher auf Verhaltensweisen und Symptome hinweist, die mit Autismus vereinbar sind. Punktzahlen von 65 oder mehr sind ein Hinweis auf Autismus.

In der Validierungsstudie hatten nicht-autistische Testpersonen einen Mittelwert von 26 Punkten, und Erwachsene mit einer Autismusdiagnose hatten einen Mittelwert von 134 Punkten.

Conner et al. weisen darauf hin, dass aufgrund der Ergebnisse ihrer Studie ein Cut-Off-Wert zwischen 90 und 129 Punkten besser wäre (je nachdem, ob man eine höhere Sensitivität oder Spezifizität möchte).

Das ist ein beträchtlicher Unterschied zur Ursprungsstudie und kann auch damit zusammenhängen, dass die Diagnostiker*innen dieser Studie deutlich weniger Personen als diagnostizierten als andere Forschende.

Ist der RAADS-R Test für Frauen geeignet?

Hochfunktionale autistische Frauen bekommen seltener und später eine Autismus-Diagnose. Deshalb stellt sich die Frage: Kann der RAADS-R Test autistische Frauen erkennen?

In der Validierungsstudie waren 72 % der autistischen Testpersonen Männer, nur 28 % waren Frauen. (Dagegen waren 57 % der nicht-autistischen Testgruppe Frauen.) Das könnte ein Problem sein – aber die 6 autistischen Testpersonen, die vom Test nicht als autistisch erkannt wurden, waren alle männlich.

Es gibt einige Fragen im RAADS-R Test, bei denen ich denke, dass sie eine Verzerrung der Ergebnisse verursachen könnten, aber bisher gibt es meines Wissens keine Daten, die darauf hinweisen.

Spätere Studien zum Test analysieren teilweise nicht auf Gender-Unterschiede, teilweise finden sie (sowohl im AQ- als auch im RAADS-R Test) keine Geschlechterunterschiede in den Punktzahlen.

In der Studie von Andersen et al. findet sich eine interessante Beobachtung: In der nicht-autistischen Vergleichsgruppe hatten Männer im Durchschnitt höhere Punktzahlen als Frauen, wohingegen in der autistischen Gruppe Frauen höhere Werte erzielen als Männer.

Das könnte darauf hindeuten, dass Frauen stärker autistisch sein müssen, um eine Diagnose zu bekommen – allerdings erreichten diese Unterschiede keine statistische Signifikanz. Über den Test selbst kann man daraus noch nichts ableiten.

Dieses Thema ist sehr komplex zu erforschen, weil es wahrscheinlich auch bei den Diagnosen einen Gender-Bias gibt – und die Tests orientieren sich an Diagnosen.

Wo kann ich den RAADS-R Test auf deutsch machen?

Hier gibt es den RAADS-R Test auf deutsch.

Und hier findest du weitere Autismus-Tests:

Tests sind nicht alles. Wenn du wissen willst, ob du autistisch sein könntest, ist es hilfreich, Autismus besser zu verstehen und zu sehen, ob das Gesamtbild auf dich zutrifft. Ein guter Startpunkt dafür sind diese Grundlagenartikel:

Quellen und Studien
  • Andersen, L. M., Näswall, K., Manouilenko, I., Nylander, L., Edgar, J., Ritvo, R. A., … & Bejerot, S. (2011). The Swedish version of the Ritvo autism and Asperger diagnostic scale: Revised (RAADS-R). A validation study of a rating scale for adults. Journal of autism and developmental disorders, 41, 1635-1645.
  • Conner, C. M., Cramer, R. D., & McGonigle, J. J. (2019). Examining the diagnostic validity of autism measures among adults in an outpatient clinic sample. Autism in Adulthood, 1(1), 60-68.
  • Eriksson, J. M., Andersen, L. M., & Bejerot, S. (2013). RAADS-14 Screen: validity of a screening tool for autism spectrum disorder in an adult psychiatric population. Molecular Autism, 4, 1-11.
  • Jones, S. L., Johnson, M., Alty, B., & Adamou, M. (2021). The effectiveness of RAADS-R as a screening tool for adult ASD populations. Autism Research and Treatment, 2021.
  • Ritvo, R. A., Ritvo, E. R., Guthrie, D., Ritvo, M. J., Hufnagel, D. H., McMahon, W., … & Eloff, J. (2011). The Ritvo Autism Asperger Diagnostic Scale-Revised (RAADS-R): a scale to assist the diagnosis of autism spectrum disorder in adults: an international validation study. Journal of autism and developmental disorders, 41, 1076-1089.
  • Ritvo, R. A., Ritvo, E. R., Guthrie, D., Ritvo, M. J., Hufnagel, D. H., McMahon, W., … & Eloff, J. (2010). Ritvo autism Asperger diagnostic scale–Revised. Journal of Autism and Developmental Disorders.
  • Sizoo, B. B., Horwitz, E. H., Teunisse, J. P., Kan, C. C., Vissers, C. T. W., Forceville, E. J. M., … & Geurts, H. M. (2015). Predictive validity of self-report questionnaires in the assessment of autism spectrum disorders in adults. Autism, 19(7), 842-849.

Zuletzt bearbeitet am 05.12.2023.

Linus Mueller, M.A.

Linus Mueller befasst sich seit 20 Jahren mit Autismus. Er hat hat sein Studium an der Humboldt-Universität zu Berlin mit einer Magisterarbeit über Autismus und Gender abgeschlossen und in mehreren Autismus-Organisationen gearbeitet, bevor er Autismus-Kultur gründete. Linus ist selbst autistisch und Vater eines fabelhaften Kindes. Mehr über Linus