Studienorganisation: Strategien für ein erfolgreiches Studium
Manche Studierende im Autismus-Spektrum haben Schwierigkeiten, ihr Studium zu organisieren.
Hier zeige ich dir verschiedene Strategien, die autistische Studierende bereits erfolgreich verwendet haben.
Inhaltsverzeichnis
Was kommt also auf dich zu?
Während des Studiums stehen ständig viele verschiedene Aufgaben und Fristen an. Es kann schwierig sein, den Überblick zu behalten, besonders wenn man einen vollen Terminkalender hat und gleichzeitig an anderen Dingen arbeiten muss.
Studieren umfasst:
- die Lehrveranstaltungen zu besuchen,
- Aufgaben, die benotet werden, fristgerecht fertigzustellen,
- vorgeschriebene Lehrbuchkapitel und Artikel zu lesen,
- das Kursmaterial vor Tests und Prüfungen zu lernen,
- zusätzliches Material, das für deine benoteten Aufgaben relevant ist, zu beschaffen und lesen.
Zum eigentlichen Studieren kommt die Organisation des Alltags dazu: Viele Studierende ziehen zu Beginn des Studiums von zu Hause aus, oft in eine andere Stadt. Auch das bringt neue Herausforderungen mit sich: Du musst regelmäßig einkaufen, Essen zubereiten, Wäsche waschen und die Wohnung in Ordnung halten.
Wenn du eine eigene Wohnung hast, musst du sie wahrscheinlich noch einrichten. Außerdem brauchst du Verträge für Strom und Internet, du musst dich zum Rundfunkbeitrag anmelden und ähnliches.
Diese Alltagsorganisation frisst viel Energie, vor allem am Anfang. Es ist deshalb ungünstig, wenn Studienbeginn und der Auszug von Zuhause zur gleichen Zeit geplant werden. Ich weiß aber auch, dass es manchmal nicht anders geht.
Möglicherweise können deine Eltern dir mit den ersten Schritten helfen. Wenn du bereits weißt, dass du mehr Hilfe brauchst, kann zum Beispiel Ambulant Unterstütztes Wohnen eine Option sein. Auch bei deinen Eltern wohnen zu bleiben und in einer nahegelegenen Hochschule zu studieren oder ein Fernstudium zu machen, kann eine Möglichkeit sein.
Autistische Studierende haben unter Umständen Anspruch auf Nachteilsausgleich oder zusätzliche Unterstützung wie eine Studienassistenz. Wenn du diese benötigst, ist es wichtig, sie frühzeitig zu beantragen.
In diesem Text werde ich mich auf die Studienorganisation an sich fokussieren. Die genannten alltäglichen Aufgaben nenne ich hier, weil sie unbedingt in deine Zeitplanung eingehen müssen. Überlege dir auch, wie viel du schaffen kannst.
Wie organisiere ich mein Studium?
Es gibt einige Dinge, die du tun kannst, um im Studium organisiert zu bleiben:
- Finde ein System, das für dich funktioniert, und bleibe dabei.
- Benutze deinen Planer oder Kalender regelmäßig.
- Gewöhne dir eine Routine für das Lernen und deine Schlafgewohnheiten an.
- Richte deine Wohnung oder dein Zimmer so ein, dass es für dich funktioniert.
Die erste Strategie ist die Verwendung eines Planers oder Kalenders. Das kann dir helfen, deinen Zeitplan einzuhalten und deine Tage so zu planen, dass du weißt, was du jeden Tag erledigen musst.
Die zweite Strategie ist die Verwendung einer App. Es gibt inzwischen eine Vielzahl von Apps die Menschen dabei helfen, ihre Zeit zu planen, To-Do-Listen abzuarbeiten und den Überblick über all die Dinge zu behalten, die sie erledigen müssen. Einige dieser Apps sind sehr einfach, andere deutlich komplexer. Du musst selbst herausfinden, welche für dich am besten funktioniert.
Semesterplanung
Im Allgemeinen solltest du für jede Semesterwochenstunde eine weitere Stunde Lernzeit einplanen. Wenn du also 20 Semesterwochenstunden hast, kannst du 20 weitere Stunden einplanen, um Texte zu lesen, Referate vorzubereiten und andere Aufgaben zu erledigen.
Mach dir einen Wochenplan. Darin notierst du deine Kurse, deine Lernzeit, Alltagsarbeit und Freizeit/Erholungszeiten.
Du kannst deinen Wochenplan später immer noch anpassen, aber für den Anfang gibt er dir einen guten Überblick darüber, wie viel du lernen solltest.
Am Anfang des Semesters bekommst du üblicherweise für jeden deiner Lehrveranstaltungen eine Inhaltsübersicht. Dazu gehört ein Überblick über das Thema, eine Liste der Unterrichtseinheiten und des möglicherweise zugeordneten Lesematerials, wichtige Lernziele und benoteten Aufgaben. Auch organisatorische Dinge sind wichtig: Wo findest du den Reader (falls ihr einen verwendet), gibt es weiteres Material, das du besorgen musst, wo finden die Prüfungen o.ä. statt?
Diese Dinge können schriftlich oder mündlich mitgeteilt werden, also mach dir Notizen – insbesondere, wenn etwas über die benoteten Aufgaben gesagt wird. Zu diesem Zeitpunkt scheinen sie noch weit weg, aber später wirst du diese Informationen noch brauchen.
Benotete Aufgaben können zum Beispiel Klausuren, Hausarbeiten, Essays und andere schriftliche Arbeiten, Referate, Projektarbeiten oder anderes sein.
Notiere dir jede benotete Aufgabe, ihren Fälligkeitstermin, und zu welchem Anteil sie in deine Note eingeht.
Wenn zum Beispiel ein Referat 20 %, eine kurze schriftliche Arbeit 10 %, und die Klausur 70 % der Endnote wert ist, dann sollte dein Zeitaufwand dafür auch ungefähr diesem Verhältnis entsprechen.
Es ist wichtig, diese Aufgaben rechtzeitig abzugeben, auch wenn du findest, dass sie nicht perfekt sind. Wenn du sie zu spät abgibt, können Notenpunkte abgezogen werden, möglicherweise nehmen Lehrende sie gar nicht mehr an.
Ein Semesterplaner ist eine Möglichkeit, diese Aufgaben zu organisieren. Nimm ein großes Blatt Papier (ungefähr A3-Größe) und notiere darauf alle Aufgaben, den Tag ihrer Fälligkeit, welche Art von Aufgabe (zum Beispiel Referat, Laborbericht, Klausur, Hausarbeit) und ihren prozentualen Anteil an der Semester-Note.
Notiere dir den Zeitpunkt, zu dem die Aufgaben fällig sind, und überlege, was du bis dahin machen musst, um die Aufgabe abzuschließen, und wie lange das dauern wird. Dann weißt du, wie lange vor dem Fälligkeitsdatum du beginnen musst.
Es kann nützlich sein, die Aktivitäten der benoteten Aufgabe in Phasen zu unterteilen. Die Vorbereitung einer Aufgabe kann beispielsweise aus fünf Schritten bestehen:
- Stufe 1: Sicherstellen, dass du die Frage- und Bewertungskriterien verstehst.
- Stufe 2: Relevante Referenzen suchen und finden – aus Lehrbüchern, weiteren Büchern, Zeitschriftenartikeln und Webdatenbanken.
- Stufe 3: Informationen lesen und Teile hervorheben, die du für die Aufgabe verwenden wirst, und praktische Arbeiten durchführen, falls erforderlich.
- Stufe 4: Einen Entwurf schreiben.
- Stufe 5: Den Entwurf korrekturlesen und (falls nötig) überarbeiten.
Notiere auf deinem leeren Semesterplaner (in Tabelle 3, unten verlinkt) das Datum, an dem du mit jeder Aufgabe beginnen solltest. Dies hilft dir bei der Planung deines Semesters.
Tabelle 3:
Semesterplaner
Download: Tabelle 3 (DOC)
Download: Tabelle 3 (PDF)
Wochenplanung
Sobald du deinen Semesterplaner erstellt und einen Überblick über das Semester hast, kannst du für jede Woche einen Plan erstellen. Ein Wochenplaner (siehe Beispiel, Tabelle 5) hilft dir dabei, deine Zeit so zu organisieren, dass du über deine Kursanforderungen auf dem Laufenden bleibst.
Tabelle 5:
Wochenplaner
Download: Tabelle 5 (DOC)
Download: Tabelle 5 (PDF)
Trage alle deine regelmäßigen Aktivitäten in den Wochenplaner ein, wie zum Beispiel
- Lehrveranstaltungen,
- regelmäßige Treffen für Gruppenprojekte,
- private Lernzeit für jedes Fach,
- Fahrzeit zum und vom Campus,
- berufliche oder familiäre Verpflichtungen,
- Sport oder andere Freizeitaktivitäten,
- Erholungszeit,
- Essenszeit, und
- Schlafenszeit.
In manchen Fächern ist es weitgehend festgelegt, welche Lehrveranstaltungen du besuchen musst, in anderen kannst (und musst) du dir deinen eigenen Stundenplan zusammenstellen.
In jedem Fall beginnst du deinen Wochenplaner, indem du deine Lehrveranstaltungen darin einträgst.
Dann planst du pro Semesterwochenstunde eine Stunde private Lernzeit ein.
Beachte dabei, dass du möglicherweise für manche Arten von Lehrveranstaltungen wesentlich mehr Lernzeit einplanen musst als für andere. Als Faustregel gilt, dass Kurse, die benotet werden, mehr Aufwand erfordern als solche, in denen du nur eine Teilnahmebestätigung brauchst. Du musst deine private Lernzeit entsprechend verteilen.
Manche Leute finden es hilfreich, ihren Wochenplaner farbig zu kennzeichnen. Du kannst zum Beispiel für jede Lehrveranstaltung oder jede Aktivität eine andere Farbe oder ein anderes Symbol verwenden. Dieses visuelle Layout hilft dir auch zu erkennen, ob du deine Lernzeit gut auf die einzelnen Fächer verteilst.
Alternativ kannst du unterschiedliche Farben für Lehrveranstaltungen, deine private Lernzeit, Freizeit und Alltagszeit verwenden. So kannst du auch sehen, ob du ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Studium und anderen Verpflichtungen hast.
Ein Wochenplaner sollte realistisch und erreichbar sein. Ein Tag hat nur 24 Stunden. Denk daran, auch Erholungszeiten einzuplanen – Zeit für Spaziergänge in der Natur, ein gutes Buch oder Treffen mit lieben Menschen. Das können gute Belohnungen sein. Es ist wichtig, Spaß zu haben und auch andere Dinge zu tun als für das Studium zu lernen.
Private Lernzeit
Du musst deine private Lernzeit so planen, dass sie so effektiv wie möglich ist. Es ist wichtig, dass herausfindest, wie du konzentriert lernen kannst.
Einige Strategien, die nützlich sein können, umfassen:
- Organisation der privaten Lernzeit in Lernblöcken
Du kannst zum Beispiel in einer Stunde 45 Minuten lang lernen und dann 15 Minuten lang eine Pause machen, um danach zu deinem nächsten Lernblock überzugehen. - Wechselnde Fächer in deiner Lernzeit
Lerne beispielsweise eine Stunde lang Mathe und dann eine weitere Stunde lang Elektronik. - Planung spezifischer Aufgaben für deine private Lernzeit
Nutze beispielsweise die Zeit, um an bevorstehenden Aufgaben zu arbeiten oder die erforderliche Literatur zu lesen. - Plane deine private Lernzeit zeitlich mit der Lehrveranstaltung verknüpft
Nimm dir zum Beispiel vor der Veranstaltung eine Stunde Zeit, um die Texte zu lesen oder das Material zu lernen. - Pausen
Plane einige Pausen zum Ausruhen, Freizeit und Essen ein, damit du nicht ausbrennst.
Aktualisiere deinen Wochenplaner
Es ist wichtig, die Aufgaben in deinem Wochenplaner jede Woche zu aktualisieren, um sicherzustellen, dass du mit den Aufgabenanforderungen deines Kurses Schritt hältst. Nimm dir dafür Zeit in deinem Wochenplaner. Überprüfe deinen Semesterplaner auf Aufgaben, die in deinen Wochenplaner aufgenommen werden müssen. Schreibe eine wöchentliche Aufgabenliste oder die wichtigsten Ziele für die Woche (in Tabelle 4, unten verlinkt). Schreib die Aufgaben auf, die diese Woche für jedes Fach erledigt werden müssen. Das kannst du entweder in Form einer Tabelle, einer Liste oder auf eine andere Weise machen, die am besten zu dir passt. Weise in deinem Wochenplaner Zeit für diese Aufgaben zu.
Es ist wichtig, dass du deinen Wochenplaner jede Woche anhand der folgenden Fragen überprüfst, um deinen Fortschritt zu bewerten:
- Folge ich dem Plan?
- Liegt mein Fokus auf den wichtigen Aufgaben?
- Hilft mir das, was ich mache, meine Studienanforderungen zu erfüllen?
- Muss der Plan geändert werden?
Wenn du deinem Wochenplaner durchweg nicht folgst und die Anforderungen deines Studiums nicht erfüllst, ist es wichtig, Unterstützung bei der Organisation deines Studiums zu suchen.
Tabelle 4:
To-Do-Liste
Download: Tabelle 4 (DOC)
Download: Tabelle 4 (PDF)
Samuel besuchte die Beratung für Studierende mit Behinderung an seiner Universität, nachdem er in seinem ersten Semester einige Lehrveranstaltungen nicht bestanden hatte.
Die Studienberaterin verbrachte einige Zeit mit Samuel und ging die Inhaltsübersichten der Lehrveranstaltungen durch, um die Anforderungen und Erwartungen zu erläutern.
Sie verbrachten Zeit damit, Ziele zu setzen und einen Studienplan zu erstellen, der Zeitpläne für das Bestehen der Lehrveranstaltungen während des zweiten Semesters enthielt.
Samuel musste sich außerdem jede Woche auf verschiedene Studienaktivitäten festlegen, sodass diese auch auf einem Wochenplaner geplant waren.
Sie sprachen auch darüber, dass Samuel mit einigen Anforderungen nicht zurechtkam, speziell die Gruppenarbeit, ein Referat und die mündliche Beteiligung, die in manchen Lehrveranstaltungen verlangt wurde.
Die Studienberaterin arrangierte dann Treffen mit Samuels Dozent*innen, um Samuel vorzustellen und nach möglichen Bewertungsalternativen für ihn zu suchen. Sie fand auch einen Tutor für Samuel.
Samuel und der Tutor trafen sich während des Semesters alle zwei Wochen, um sicherzustellen, dass Samuel die Anforderungen der Lehrveranstaltungen erfüllte, und um bei Bedarf andere Bedenken und Probleme zu erörtern.
Als Ergebnis des Meet-and-Greet mit seinen Lehrkräften stellte Samuel fest, dass er im Verlauf des Semesters in der Lage war, sich ohne Unterstützung direkt an sie zu wenden.
Semesterplaner und Wochenplaner gaben seinem Studium eine gewisse Struktur, die ihm half, mit seinen Aufgaben und Studienanforderungen auf dem Laufenden zu bleiben. Samuel bestand alle Lehrveranstaltungen im zweiten Semester, sein Stresslevel sank und er begann, das Studium zu mögen.
Hausarbeiten und Klausuren
Ein sehr wichtiger Aspekt des Studiums sind benotete Aufgaben. Das Thema ist so umfangreich, dass ich einen gesonderten Artikel zu Hausarbeiten und Klausuren geschrieben habe.
Fragen und Antworten
Frage: Was passiert, wenn meine Studienpläne durch unerwartete Situationen unterbrochen werden?
Antwort: Manchmal treten Situationen auf, die du nicht eingeplant hast, zum Beispiel ein Besuch von Verwandten oder eine Veranstaltung an der Universität, an der du teilnehmen möchtest.
Dein Zeitplan muss flexibel genug sein, um unerwartete Ereignisse zu berücksichtigen. Möglicherweise musst du einige geringfügige Anpassungen vornehmen, um auf dem richtigen Weg zu bleiben. Zum Beispiel lernst du am Dienstagabend normalerweise Biologie, aber diese Woche willst du an diesem Abend an einem Familienessen teilnehmen. Den Donnerstagabend ist frei von Verpflichtungen, deshalb wirst du diese Woche am Donnerstag und nicht am Dienstag Biologie lernen.
Frage: Ich bin mir nicht sicher, wie ich mit dem Studium für Klausuren beginnen soll. In diesem Semester wurde so viel Material im Kurs behandelt. Woher weiß ich, was wichtig ist zu wissen und was nicht?
Antwort: Die Inhaltsübersicht für die Lehrveranstaltung sollte die wichtigsten Lernpunkte für das Fach enthalten. Dies kann ein guter Anhaltspunkt sein. Du kannst auch einen Termin vereinbaren, um mit deiner Tutor*in oder Dozent*in darüber zu sprechen, welches Material das wichtigste ist. Eine gute Anlaufstelle ist auch die Studienfachberatung. Hier können ältere Studierende dir Tipps geben, was üblicherweise verlangt wird. Oft können sie dir auch sagen, wo du die Unterlagen der Klausuren den vergangenen Jahre findest, sodass du dich daran orientieren kannst.
Zuletzt bearbeitet am 11.05.2023.
Linus Mueller befasst sich seit 20 Jahren mit Autismus. Er hat hat sein Studium an der Humboldt-Universität zu Berlin mit einer Magisterarbeit über Autismus und Gender abgeschlossen und in mehreren Autismus-Organisationen gearbeitet, bevor er Autismus-Kultur gründete. Linus ist selbst autistisch und Vater eines fabelhaften Kindes. Mehr über Linus