Wir sind autistisch und das ist gut so.

Was ist PDD-NOS?

PDD-NOS ist eine Form von Autismus. Es ist charakterisiert durch autistische Verhaltensweisen und eine Beeinträchtigung der sozialen und kommunikativen Fähigkeiten.

PDD-NOS steht für Pervasive Developmental Disorder – Not Otherwise Specified, auf deutsch: »Tiefgreifende Entwicklungsstörung, nicht näher bezeichnet«.

Inzwischen ist die Diagnose PDD-NOS veraltet. Sie wurde 2013 in der neuen Ausgabe des US-amerikanischen Diagnosehandbuchs DSM-5 mit anderen Formen von Autismus zur Autismus-Spektrum-Störung zusammengefasst.

Ist PDD-NOS das gleiche wie atypischer Autismus?

PDD-NOS wird auch atypischer Autismus genannt, weil die Kriterien für eine andere Form von Autismus nach DSM-4 oder ICD-10 nicht erfüllt sind, das Gesamtbild der Verhaltensmuster aber autistisch ist.

Beide Begriffe bezeichneten autistische Menschen, die nicht alle Kriterien für eine andere Form von Autismus erfüllten.

Die Begriffe atypischer Autismus und PDD-NOS wurden dennoch nicht deckungsgleich verwendet, weil die Diagnosepraxis in den USA anders war als in Deutschland.

In den USA wurden oft Menschen mit PDD-NOS diagnostiziert, deren Autismus ungefähr dem Bild des Asperger-Syndroms entsprach, die aber bestimmte Kriterien dafür nicht erfüllten. Sie galten deshalb manchmal als die »hochfunktionalsten« Autist*innen, PDD-NOS wurde als leichte Form von Autismus betrachtet. Das entsprach nicht immer der Realität – während einige Symptome leicht waren, konnten anderen stark ausgeprägt sein.

Die offensichtliche Frage dabei war: Wer von den Personen, die nicht alle Diagnosekriterien für Autismus erfüllten, sollte überhaupt eine Diagnose bekommen?

Fachleute waren sich uneinig, und die Unklarheit führte zu viel Verwirrung bei Eltern und Menschen am Rande des Autismus-Spektrums.

Trotzdem hatte die Diagnose PDD-NOS ihre Berechtigung. Sie wurde zum Beispiel in folgenden Situationen gestellt:

  • Die Person ist hochfunktional, hat aber eine leichte kognitive Behinderung und/oder eine Sprachverzögerung, was eine Asperger-Diagnose ausschließt.
  • Die Person ähnelt autistischen Menschen, die Symptome begannen aber später.
  • Die Person hat viele Autismus-Symptome, hat aber kaum stereotype Verhaltensweisen (Stimming), nonfunktionale Routinen oder Spezialinteressen.

In Deutschland bekommen viele Menschen, die in den USA die Diagnose PDD-NOS bekamen, keine Diagnose. Das Konzept PDD-NOS wurde hier nicht verwendet, und die Diagnose atypischer Autismus wurde in der Praxis vorrangig bei Menschen mit schwerer geistiger Behinderung und autistischen Zügen gestellt, bei denen es schwierig einzuschätzen war, ob die autistischen Symptome und Beeinträchtigungen nicht vielleicht von der Schwere der geistigen Behinderung verursacht wurden.

Diese Menschen bekamen übrigens auch in den USA die Diagnose PDD-NOS, aber dort machten sie eben nur einen kleinen Teil der so diagnostizierten Personen aus.

die die üblichen Autismus-Kriterien manchmal aus anderen Gründen nicht erfüllten.

PDD-NOS: Definition in DSM und ICD

Das Diagnosehandbuch ICD, das in Deutschland und den meisten anderen Ländern verwendet wird, sah (in der Ausgabe ICD-10) ähnliche Diagnosen vor: Bekannt war der atypische Autismus (F84.1), aber PDD-NOS konnte auch als Tief greifende Entwicklungsstörung, nicht näher bezeichnet (F84.9) kodiert werden. Mit der neuen Ausgabe ICD-11 ging man auch hier zum Konzept der Autismus-Spektrum-Störung über.

PDD-NOS und andere tiefgreifende Enticklungsstörungen in ICD und DSM

Was ist der Unterschied zwischen PDD-NOS und dem Asperger-Syndrom?

Die Diagnose PDD-NOS wurde oft gestellt, wenn das Gesamtbild ähnlich dem des Asperger-Syndroms war, ein oder mehrere Kriterien aber nicht erfüllt waren.

Inzwischen sind PDD-NOS und das Asperger-Syndrom keine unterschiedlichen Diagnosen mehr, sie sind beide Teil der Diagnose Autismus-Spektrum-Störung.

Wie sind Menschen mit PDD-NOS?

Alle Menschen sind unterschiedlich, aber hier ist ein typisches Beispiel:

Susan, 23, hat große Schwierigkeiten in der sozialen Interaktion und Kommunikation. Sie kann Körpersprache nicht zur Kommunikation nutzen und hat eine Tendenz, Aussagen wörtlich zu verstehen.

Als Kind fing Susan früh an zu sprechen. Sie ist intelligent, sie hat einen High-School- und College-Abschluss. Sie hat gute fachliche Fähigkeiten, hat aber aufgrund ihrer Schwierigkeiten in der sozialen Interaktion Probleme, einen Job zu finden. Auch ihre hypersensitive Wahrnehmung bereitet Susan in vielen Lebensbereichen Schwierigkeiten.

Soweit sind Susan’s Symptome und Beeinträchtigungen (fast) typisch für das Asperger-Syndrom. Mit einer Ausnahme: Sie hat keine »Spezialinteressen«, keine »repetitiven oder stereotypen Verhaltensweisen« und keine »nonfunktionalen Routinen«.

Deshalb erfüllte sie die Kriterien für das Asperger-Syndrom nach DSM-4 nicht. Weil ihre Beeinträchtigungen signifikant genug für eine Diagnose sind, wird stattdessen die Diagnose PDD-NOS gestellt.

Das DSM-5 erkennt neben oben genannten Spezialinteressen u.a. auch Unterschiede in der Wahrnehmungsverarbeitung als Kriterium an. Susan würde also die Kriterien für die Autismus-Spektrum-Störung erfüllen.

Was sind die Symptome von PDD-NOS?

Typische Symptome von PDD-NOS sind:

  • Probleme mit der Verwendung und dem Verständnis von Sprache im sozialen Kontext
  • Schwierigkeiten im Kontakt mit anderen Personen
  • Andere Arten, mit Spielzeug und anderen Gegenständen zu spielen
  • Schwierigkeiten mit Veränderungen des Tagesablaufs oder der Umgebung
  • Sich wiederholende Bewegungen oder Verhaltensmuster
  • ein »unebenes« Profil von Fähigkeiten (ausgeprägte Stärken in einem Bereich und ausgeprägte Schwächen in einem anderen)

Untergruppen bei PDD-NOS

Eine Studie aus den USA benennt drei Untergruppen, zu denen Menschen mit der Diagnose PDD-NOS zugeordnet wewrden können:

  • Eine hochfunktionale Gruppe (ca. 25 Prozent), deren Symptome sich zum großen Teil mit dem Asperger-Syndrom überlappen, die sich aber von diesem unterscheiden, weil sie eine Sprachverzögerung und/oder eine leichte Intelligenzminderung haben. (Die Kriterien für das Asperger-Syndrom schließen beides aus.)
  • Eine Gruppe (ca. 25 Prozent), deren Symptome eher denen des frühkindlichen Autismus ähneln, die aber nicht alle Diagnosekriterien erfüllen.
  • Die größte Gruppe (ca. 50 Prozent) besteht aus denen, die alle Merkmale des Autismus-Spektrums aufweisen, die aber sehr wenig Stereotypien und repetitives Verhalten aufweisen.

Letztlich war diese Unterteilung des Autismus-Spektrums in Subtypen und Sub-Subtypen ein Versuch,

Ist PDD-NOS dasselbe wie Autismus?

PDD-NOS war früher eine von mehreren Diagnosen einer tiefgreifenden Entwicklungsstörung und wurde allgemein als einer von mehreren Subtypen von Autismus gesehen. Mit der Veröffentlichung der Diagnosehandbücher DSM-5 (2013) und ICD-11 (2021) wurden sie alle zur Diagnose Autismus-Spektrum-Störung (ASD) zusammengefasst.

Ist PDD-NOS eine Behinderung?

PDD-NOS ist eine Behinderung entsprechend der Definition im Sozialgesetzbuch, wie andere Formen von Autismus auch. Menschen mit PDD-NOS können deshalb bestimmte Leistungen zur Inklusion und Unterstützung zustehen. Menschen mit PDD-NOS dürfen nicht wegen ihrer Behinderung benachteiligt werden.

PDD-NOS-Kind mit Mutter beim Lesen üben

Was ist die Prognose für PDD-NOS?

Erwachsene mit PDD-NOS verfügen in der Regel über bessere soziale Fähigkeiten als frühkindliche Autisten und haben eine höhere Wahrscheinlichkeit, unabhängig zu leben. Allerdings haben sie oft Schwierigkeiten, einen Arbeitsplatz zu finden und zu behalten, weil sie Probleme in der sozialen Interaktion haben.

Was ist die Ursache von PDD-NOS?

Die genauen Ursachen von PDD-NOS und Autismus sind nicht bekannt. Man weiß, dass genetische Faktoren eine große Rolle spielen, zahlreiche Gene werden mit Autismus assoziiert. Es wird angenommen, dass Umweltfaktoren mit diesen zusammen wirken. Konkrete Umweltfaktoren konnten bisher aber nicht nachgewiesen werden.

Welche Formen von Autismus gibt es?

Das ICD-10 unterschied drei Autismus-Formen im engeren Sinne:

Autismus wurde in ICD-10 und DSM-4 den tiefgreifenden Entwicklungsstörungen gezählt, zu denen auch das Rett-Syndrom und andere Diagnosen gehörten.

Mehr Informationen zum Autismus-Spektrum

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Quellen und Studien

Zuletzt bearbeitet am 26.04.2023.

Linus Mueller
Linus Mueller, M.A.

Linus Mueller befasst sich seit 20 Jahren mit Autismus. Er hat hat sein Studium an der Humboldt-Universität zu Berlin mit einer Magisterarbeit über Autismus und Gender abgeschlossen und in mehreren Autismus-Organisationen gearbeitet, bevor er Autismus-Kultur gründete. Linus ist selbst autistisch und Vater eines fabelhaften Kindes. Mehr über Linus